Ernteausfälle:Weintrauben mit Sonnenbrand

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In der Julihitze sind vielerorts Weinbeeren verbrannt - im österreichischen Burgenland spricht man bereits von 30 Prozent Ausfällen. Auch in Deutschland sind viele Anbaugebiete betroffen.

Carolus Hecht, Wien

Die schöne Formel ,,Von der Sonne verwöhnt'', mit der eine deutsche Weinregion die besondere Qualität ihrer Tropfen preist, bekommt in diesem Sommer einen unerwartet drohenden Unterton: In der Glut der Julihitze, die lange auf Mitteleuropa lastete und von manchen Ländern noch nicht gewichen ist, haben vielerorts die Trauben Sonnenbrand bekommen.

In Deutschland sind bislang die Regionen Saale-Unstrut, Franken sowie die Mosel betroffen. In Österreich hat es im Kamptal schon einige Schäden gegeben, im Burgenland spricht man bereits von Ausfällen in Höhe von 30 Prozent der Lese insbesondere der weißen Sorten. In Ungarn und der Slowakei sieht es ähnlich aus.

Trauben und Menschen

Der Sonnenbrand ist nicht unbedingt eine Folge reiner Hitzeperioden. Er tritt verstärkt in Jahren wie diesem auf, wenn einer feuchten, eher kühlen Klimaphase brennende Sonne folgt. Eigentümlicherweise regiert das Traubengut ähnlich wie der Mensch: Wer sich über lange Zeit und in begrenzten Dosen der Sonne aussetzt, kann eine gut gebräunte, widerstandsfähige Haut bekommen.

Wer als blasser Höhlenolm in die pralle Sonne tritt, hat hingegen schnell den Brand auf der Haut. Es beginnt beim Wein damit, dass zunächst weiße Sorten betroffen sind. Die blassen Reben haben wenig Pigmente, also Farbstoffe, in ihrer Haut. Beim Rotwein ist sie reich an solchen Farbstoffen, die zugleich einen fabelhaften Sonnenschutz abgeben. Sie wirkt wie eine gute Sonnenbrille.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat man den Sonnenbrand als Traubenkrankheit identifiziert. Seither ist er oft vorgekommen, aber immer in geringem Ausmaß. Sogar im Glutjahr 2003 hielt er sich in erträglichen Grenzen, weil da die ganze Vegetationsphase von Anfang an so sonnig war, dass sich die Trauben daran gewöhnen konnten. In diesem Frühsommer aber blieben die Reben blass und empfindlich, da Feuchte und Kühle keine Gewöhnung erlaubten. Und jetzt diese Glut. Die Weinbeeren heizen sich innerlich zu sehr auf, die UV-Strahlung der Sonne schädigt die Frucht. Es bildet sich eine Art Schorf auf der Haut, die Beeren trocknen ein und sterben ab. Sonnengestresste Reben sind zudem sehr viel pilzanfälliger.

Viele Weinbauern haben sich die Gefahr ahnungslos selbst in den Weingarten geholt. In Österreich und dem östlichen Mitteleuropa ist die Zeit der Grünarbeit bereits längst vorbei. Dabei wird im Sommer vor allem das Laub auf den Weinstöcken ausgerauft, damit die Beeren Sonne abbekommen und schön ausreifen. Diesen Sommer haben viele gründlich das beschattende Grün entfernt. Nach den Wochen der Kühle schien dies angebracht. Nun stehen die Stöcke mit den nackten Trauben da, der prallen Sonne ausgesetzt - und kriegen den Brand. In den Regionen Deutschlands, wo die Grünarbeit noch läuft, kann man vieles verhindern, indem man beschattendes Laub am Stock lässt.

Schaden für Eleganz und Frische

Vielerorts wird man wegen einer allzu raschen Reife sehr früh mit der Lese beginnen müssen. Letztes Jahr schon lag die Reifephase um fast anderthalb Wochen früher als sonst. Dieses Jahr wird sie noch eiliger eintreten. Das kann bedeuten, dass auch in den nicht geschädigten Weingärten nicht immer erste Klasse an Most zu erwarten ist. Denn Wein braucht Zeit, ,,er muss etwas erleben'', wie ein berühmter Winzer einmal sagte, muss also so lange wie möglich am Stock hängen, um über Boden und Klima all seine Tugenden entwickeln zu können. Wird er zu früh reif, kann es Einbußen an Mineralien und anderen Inhaltsstoffen geben, die den schönen Körper des Weines ausmachen.

Noch in anderer Hinsicht könnte dieser Sommer dem Wein schaden, sollte er sich so heiß fortsetzen. Gerade deutsche und österreichische Weißweine zeichnen sich durch besondere Frische und Eleganz aus. Die verleiht ihnen hauptsächlich der scharfe Temperaturwechsel zwischen Tag und Nacht. Frischer Morgen und glühender Nachmittag sind die besten Erzieher großer Tropfen. Dieser Juli aber hat ungewöhnlich warme Nächte gebracht. Sinkt aber die Temperatur nächstens nicht mehr markant ab, können die Weine kein so elegantes Säurekostüm ausbilden, können ihre Frische nicht halten und werden gerne zu breit und zu füllig.

Wer kennt nicht die malerischen Weinfelder der Emilia-Romagna in Norditalien. Dort zieht man die Stöcke so, dass darunter mannshohe Flure entstehen, die von oben völlig vom Weinlaub verschattet werden, unter dem dicht die Trauben hängen. Ein perfekter Schutz vor der dort sehr aggressiven Sonne. Und frischer wird es unter diesen Laubdächern auch.

© SZ vom 23.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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