Ernährung:Flüssige Krankmacher

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Eine einzige Cola pro Tag reicht: Wer regelmäßig süße Getränke zu sich nimmt, legt schnell an Gewicht zu und erhöht sein Diabetes-Risiko dramatisch. Bei einer Studie legten Frauen, die nur ein süßes Getränk am Tag zu sich nahmen, binnen fünf Jahren satte fünf Kilogramm zu.

Von Christina Berndt

Dieses erschreckende Ergebnis einer Studie an mehr als 50000 amerikanischen Krankenschwestern haben Ärzte um den Deutschen Matthias Schulze jetzt im Journal of the American Medical Association veröffentlicht (Bd.292, S.927, 2004).

Demnach legten jene Frauen, die nur ein süßes Getränk am Tag zu sich nahmen, binnen fünf Jahren satte fünf Kilogramm zu. Und ihr Risiko, eine Zuckerkrankheit vom Typ II, den Altersdiabetes, zu entwickeln, stieg um 80 Prozent an - also fast auf das Doppelte.

"Wir haben schon lange vermutet, dass der Zusammenhang zwischen diesen Getränken und unseren Public- Health-Problemen groß ist", kommentiert Caroline Apovian vom Boston Medical Center die Nachricht. "Immerhin machen gesüßte Getränke bereits sieben Prozent des Energiegehalts von Lebensmitteln in der Ernährung von US-Bürgern aus. Und die Zahl fettleibiger und zuckerkranker Menschen wuchs zeitgleich mit dem Konsum von gesüßten Getränken."

Am schlimmsten, betont Apovian, seien Limonaden und gesüßte Fruchtnektare. Dagegen würden Fruchtsäfte lediglich das Gewicht erhöhen, nicht aber das Diabetes-Risiko. Dennoch stehen Fruchtsäfte für die Ernährungswissenschaftlerin ebenfalls auf der schwarzen Liste: "Sie sind nur das kleinste von drei Übeln", meint Apovian. Auch Fruchtsäfte seien "nicht komplett sicher", wenn die zusätzliche Energie, die sie enthalten, nicht beim Essen eingespart wird.

"Flüssige Kalorien sind neu für den Körper"

Das Problem sei eben, dass Menschen, die zusätzliche Kalorien durch Getränke aufnehmen, keineswegs die Kalorien reduzieren, die sie kauenderweise in ihren Bauch befördern, betont Apovian: "Eine Steigerung an flüssigen Kohlenhydraten führt perverserweise sogar zu einer noch größeren Kalorienaufnahme."

Denn der menschliche Körper scheint die flüssigen Kalorien bei seiner Nahrungsaufnahme nicht ernst zu nehmen. Sie machen ihn nicht satt. "Flüssige Kalorien sind etwas relativ Neues in der menschlichen Ernährung", meint Apovian. "vielleicht nimmt das Sättigungszentrum sie deshalb nicht als das wahr, was sie sind."

Wie viele wissenschaftliche Studien zum Thema Ernährung gibt es allerdings auch mit der Nurse's Health Study ein Problem: Die Krankenschwestern wurden lediglich dabei beobachtet, was sie freiwillig tun. Und wer gerne Softdrinks trinkt, der tut auch sonst meist nicht viel für seine Gesundheit.

Tatsächlich wurden jene Krankenschwestern, die während des Untersuchungszeitraums von 1991 bis 1999 ihren Cola-Konsum steigerten, auch körperlich weniger aktiv; sie rauchten mehr und nahmen weniger Eiweiß, Magnesium und Ballaststoffe zu sich. Diese Faktoren beeinflussen das Körpergewicht und das Risiko für Zuckerkrankheit natürlich mit.

Lebensmittelindustrie lenkt nicht ein

"Besser als es die Kollegen mit dieser Studie gemacht haben, geht es aber in der Ernährungswissenschaft nicht", sagt Hans-Georg Joost vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Postdam-Rehbrücke.

"Man kann Menschen ja kaum über Jahre vorschreiben, was sie essen müssen und was sie nicht essen dürfen." Trotz der Kritikpunkte sei die Datenlage überzeugend. "Und sie passt exakt in das Bild, das wir uns seit Jahren von gesüßten Getränken machen."

Vor allem in den USA ist Dickleibigkeit längst zu einer Volks-Epidemie geworden, und Altersdiabetes bekommen schon die Kinder. Ernährungswissenschaftler werben deshalb seit langem dafür, dass wenigstens an Schulen Cola-Automaten verboten werden.

"Die Lebensmittelindustrie sollte endlich den Zuckergehalt in ihren Produkten senken", fordert Caroline Apovian. Dazu sei sie aber nicht bereit.

US-Gesundheitsministerium weist Studie zurück

Schon im April 2003 hatte ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Welternährungsorganisation FAO die Lebensmittelhersteller in den Industrienationen für ihre "heftigen Marketingpraktiken" kritisiert, die sie "für energiereiche, aber wenig nährstoffhaltige Nahrung" unternehmen.

Die Lebensmittelindstrie aber hat den Bericht als unwissenschaftlich zurückgewiesen. Und das US-Gesundheitsministerium stieß in dasselbe Horn.

"Experten auf dem Gebiet der Ernährungswissenschaften hatten das Gefühl von einem Deja-vu", sagt Apovian. Das Vorgehen von Regierung und Herstellern entspreche ziemlich genau der Taktik, welche die Tabakindustrie jahrelang verfolgt hat, "um Public-Health-Kampagnen gegen das Rauchen mit fadenscheinigen Argumenten zu verhindern."

© SZ vom 27.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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