Erdbeben im Indischen Ozean:"Wie eine schwarze Wand"

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Die Riesen-Flutwelle auf Java hat Urlaubsorte und Fischerdörfer zerstört und mindestens 327 Menschen in den Tod gerissen. Mehr als 30.000 Menschen haben ihre Wohnungen verloren.

Die Bilder erinnern an die Katastrophe von 2004 - auch wenn die Zahl der Opfer diesmal bei weitem nicht so hoch sein wird. Doch nur im Vergleich mit den 220.000 Toten von damals erscheint die offizielle Zahl der bislang gezählten Opfer eher klein:

Kinder vor den Trümmern eines Hauses in Pangandaran. (Foto: Foto: Reuters)

Mindestens 327 Menschen wurden von der Flutwelle getötet - das indonesische Rote Kreuz spricht von 262 Todesopfern - und etwa 130 Personen werden noch vermisst.

200 Kilometer Küste verwüstet

Mehr als 30.000 Menschen haben in der vierten großen Katastrophe, die Indonesien innerhalb von 18 Monaten heimsuchte, ihre Wohnungen verloren.

Insgesamt 200 Kilometer der romantischen Küste im Südwesten von Java sind nach dem Erdbeben und der verheerenden Riesenwelle bedeckt mit gestrandeten Booten, Autowracks, zersplittertem Holz und anderen Trümmern. Vier Meter hoch waren die Wellen, die am beliebten Strand von Pangandaran aufgeschlagen waren.

Für Java erwies sich der Tsunami als schlimmer, als er selbst von Behörden zunächst eingeschätzt wurde.

Ein Augenzeuge berichtete, eine halbe Stunde vor dem Tsunami habe sich das Meer rund 500 Meter vom Strand zurückgezogen. "Ich konnte die Fische auf dem Meeresboden sehen", sagte er. Später sei die Welle gekommen "wie eine schwarze Wand".

Andere Augenzeugen erklärten, bis zu fünf Wellen seien an die Küste gekracht und hätten Fischerboote 100 Meter weit auf das Festland gezogen. Die Inhaberin eines Strandkioskes sagte, die Flutwelle habe ihr ihren sechs Jahre alten Sohn aus den Armen gerissen. "Das Wasser war zu stark", sagte die Frau, die ihren Namen mit Ira angab.

"Erst gab es nur eine ganz leichte Erschütterung. Manche Menschen haben das vielleicht gar nicht gespürt", sagte ein Mann mit Namen Mamat, der etwa 100 Meter vom Strand stand, als alles begann.

"Einige Minuten später sind Wellen unheimlich schnell auf die Küste gekracht", sagte Mamat. "Da waren viele Autos und Boote, die vom Seewasser einfach weggewaschen wurden. Und dann sind sie in die Hotels geknallt."

Pangandaran, ein beliebter Touristenort, wurde am schlimmsten getroffen. Mindestens 186 Tote wurden hier gefunden. Viele Strandhotels und andere Gebäude an der Küste wurden zerstört. Am Strand und auf den benachbarten Straßen liegen Betontrümmer und Holzbretter, die einmal Essensstände waren. Überall sind Wasserlachen. Die Flutwelle hat Boote an Land geworfen und Häuser und Hotels zerstört.

Katastrophenschützer der Regierung sagten in Pangandaran, überall hätten Tote am Stand gelegen. Viele seien Einwohner aus den kleinen Fischerdörfern in der Umgebung.

Die Krankenhäuser sind voll

Die Krankenhäuser der Region sind voll mit Verletzten. Mindestens 90 von ihnen werden im Krankenhaus im Stadtteil Banjar behandelt, ein Chirurgenteam aus dem benachbarten Yogyakarta soll die Ärzte unterstützen.

Budi Harjo, der medizinische Koordinator des Krankenhauses, erwartet noch weitere Verletzte - doch das Haus ist voll. "Wir haben genug medizinisches Personal, aber wir könnten noch mehr Betten brauchen. Viele Patienten liegen nur auf Matratzen auf dem Boden", berichtet er.

Auch das zweite, Krankenhaus in Pangandaran braucht dringend Matratzen, Holzschienen, Trageschlaufen, aber auch Leichensäcke. Dort kümmern sich die Ärzte um 48 Verletzte.

Hilfe aus aller Welt

Ausländische und indonesische Hilfsdienste strömten am Dienstag in den Südwesten der Insel Java.

Die ersten Rettungskräfte durchkämmen bereits seit gestern die zerstörten Gebäude und suchten in den Trümmern nach Überlebenden. Dutzende von Verletzten suchten auch am Dienstag noch medizinische Hilfe.

Die Vereinten Nationen schickten am Dienstag Einsatzkräfte in den Westen und in die Mitte der Insel. Auch indonesische Nichtregierungsorganisationen unterstützten die Überlebenden.

Ein Team des Deutschen Malteser Hilfsdienstes sollte am Dienstag die Krisenregion erreichen. In Jakarta traf sich Präsident Susilo Bambang Yudhoyono mit den Leitern der Hilfsmissionen, um zu entscheiden, wie den Provinzen am besten geholfen werden könnte.

Nichts bekannt über deutsche Opfer

Hunderte von Soldaten und freiwilligen Helfern unterstützen die verstörten Einwohner bei der Bergung der Toten. Weinend suchen viele in den Trümmern ihrer Habe nach ihren Verwandten. Die Behörden glaubten, dass auch einige Ausländer unter den Toten sind.

So starben ein in Pangandaran lebender Schwede und zwei schwedische Jungen im Alter von fünf und zehn Jahren. Die staatliche Nachrichtenagentur Antara berichtete, auch zwei Niederländer und zwei Pakistaner seien ums Leben gekommen.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte, über deutsche Opfer sei noch nichts bekannt. Ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Jakarta sei in die Krisenregion gefahren, um eventuell Hilfe zu leisten.

Zahlreiche Hilfsorganisationen wie die Caritas und das Rote Kreuz riefen zu Spenden auf. Jetzt müsse vor allem den Obdachlosen, die meist vor dem Tsunami geflüchtet waren, geholfen werden, sagte Rotkreuz-Sprecher Hadi Kuswoyo. "Ich glaube, Geld ist das Beste. Das setzt die Behörden in die Lage, das Lebensnotwendige zu verteilen."

Nach Angaben der US-Erdbebenwarte hatten die Erdstöße am Montag eine Stärke von 7,7. Das Beben, dessen Epizentrum rund 360 Kilometer südöstlich von Jakarta im Indischen Ozean lag, ereignete sich gegen 15.20 Uhr (10.20 Uhr MESZ). Das Tsunami Warnzentrum im Pazifik löste einen Alarm für die indonesischen Inseln Java and Sumatra aus sowie für die australischen Weihnachtsinseln und die Kokos-Inseln.

Erst im Mai hatte ein Beben der Stärke 6,2 das Zentrum Javas um die Stadt Yogyakarta erschüttert. 6000 Menschen starben, Tausende wurden verletzt. Monatelang hatte zudem der Vulkan Merapi in der Nähe giftige Gaswolken ausgespien und die Menschen in Angst versetzt.

Die Regierung hatte zum Schutz von Aceh und Nordsumatra Warnbojen ausbringen lassen. Das Tsunami-Frühwarnsystem, das vom GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam aufgebaut wird, kann seinen Schutz aber nicht vor dem nächsten Jahr auch auf Java ausdehnen.

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