Enthüllungsroman von Roberto Saviano:"Dreckskerle, ich habe überlebt"

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Mit seinem Mafia-Enthüllungsroman "Gomorrha" hat Roberto Saviano in Italien einen Nerv getroffen. Derzeit stellt der junge Autor aus Neapel sein erfolgreiches Erstlingswerk in Deutschland vor.

Ivo Marusczyk

Kein Krimi-Autor würde seinen Lesern normalerweise vorab verraten, wie sein Buch endet. Doch Roberto Saviano hält sich heute nicht daran. Der Autor von "Gomorrha", einem Enthüllungsroman, der von Mord und Totschlag handelt, von Erpressung und Drogenhandel, selbstherrlichen Paten und gewissenlose Tätern, kann den Schluss seines Buches ruhig vortragen: "Maledetti bastardi, Ihr verfluchten Dreckskerle, ich habe überlebt." Die Zuhörer im Forum des Süddeutschen Verlags, das am Montagabend bis auf den letzten Platz besetzt ist, zollen ihm anhaltenden Applaus dafür.

Stets unter Polizeischutz: Roberto Saviano; Mafia (Foto: Foto: AFP)

Roberto Savianos Camorra-Buch ist kein Krimi, sondern die brutale Wirklichkeit einer Jugend in Casal di Principe, einem trostlosen Nest am Stadtrand von Neapel, fest in der Hand der Camorra. Saviano hat ihr die Stirn geboten und mit gerade einmal 28 Jahren das bislang Aufsehen erregendste Buch über das organisierte Verbrechen in Italien geschrieben. Mehr als 900.000 Mal ist "Gomorrha" allein in Italien verkauft worden. In Spanien und Frankreich schaffte das Buch es ebenfalls in die Bestseller-Listen. Seit einigen Wochen liegt "Gomorrha" auch in deutscher Übersetzung vor.

Saviano verbindet Fakten, Erzählungen und eigene Erfahrungen zu einer "dantesken Fahrt durch eine Höllenlandschaft", wie SZ-Redakteur Hans Leyendecker es ausdrückt. Er stellt Saviano als "wütenden Frühweisen" vor, dem man zuhören sollte: "Wenn Wahrheit richtig erzählt wird, wird die Erzählung zur Waffe." Für den Erfolg dieser Waffe bezahlt Saviano mit einem Leben unter Polizeischutz, von Leibwächtern abgeschirmt, ohne feste Adresse.

In Casal di Principe sterben die Mordopfer nicht einfach auf der Straße. Sie krepieren, verrecken würdelos im eigenen Kot unter den Augen der gaffenden Menge, Angstschreie auf den Lippen. Mit eindrücklichen Bildern erzählt Saviano wie er damals, mit 13 Jahren, sein erstes Camorra-Opfer sah. Seitdem sei nichts besser geworden. "Allein gestern und heute sind im Raum Neapel sechs Menschen ermordet worden", sagte er. 3700 waren es insgesamt in den 28 Lebensjahren von Roberto Saviano.

Wenn Saviano heute durch Casal di Principe fährt, natürlich unter Polizeischutz, rasseln die Rollläden herunter. Wer dem Autor Respekt zollt, bekommt es mit dem "System" zu tun, wie die Camorra sich selbst nennt.

Nachdrücklich warnt Saviano davor, die Camorra und ihre Geschwister als Phänomene aus einem fremden Land zu begreifen. "Es ist unglaublich, dass es in Europa bis heute keine Koordinierungsstelle für den Kampf gegen die Mafia gibt. Und dass in Deutschland alles fehlt, was wie ein Anti-Mafia-Gesetz aussieht."

Nötig hätten wir es, sagt Saviano. Nach dem sechsfachen Mord in Duisburg seien die Deutschen zwar mit Informationen überschwemmt worden, aber begriffen hätten sie es nicht: Savianos "maledetti bastardi", also die neapolitanische, die kalabresische und die sizilianische Mafia, sähen Deutschland nach wie vor als großartigen Raum für Investitionen.

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