Elternmord und Leichenschändung:Den Schweinen zum Fraß

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Ein Landwirt soll seine Eltern getötet und die Leiche eines Knechts an sein Vieh verfüttert haben. In Kassel steht der 31-Jährige seit diesem Montag vor Gericht.

Christoph Hickmann

Viel lässt sich sagen über die Sprache der Juristen und ihr Verhältnis zu den Dingen des wirklichen Lebens, doch manchmal kann diese so abstrakte Sprache auch schützen.

Auf diesem Hof im hessischen Fritzlar-Haddamar sollen die grausamen Taten passiert sein. (Foto: Foto: dpa)

Man kann sich hinter ihr verstecken, man muss sich manche Taten dann gar nicht allzu genau vorzustellen. Spätestens wenn diese Taten vor Gericht kommen, ist es allerdings doch vorbei damit, so wie im Fall des 31 Jahre alten Bauern, der am Montag zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Kassel jene "Störung der Totenruhe" zugegeben hat, die ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft.

Die Leiche zerstückelt und an die Schweine verfüttert

Der Mann aus Fritzlar-Haddamar im Norden Hessens hat demnach die Leiche eines Bekannten erst in der Tiefkühltruhe aufbewahrt, sie dann zerlegt und an die Schweine auf seinem Hof verfüttert. Es ist der harmloseste der Vorwürfe, deretwegen sich Christian R. voraussichtlich bis Mitte Juni verantworten muss: Er soll, darum vor allem geht es, seine Eltern umgebracht haben.

Auf diesen Vorwurf des zweifachen heimtückischen Mordes allerdings wären die Ermittler wohl nie gekommen, wäre da nicht die Sache mit den Schweinen gewesen. Jahrelang hatte niemand offiziell bezweifelt, dass der Vater des Angeklagten im September 2000 durch den Tritt einer unerwartet ausschlagenden Kuh gestorben war.

Auch hinter dem Tod der Mutter vier Jahre später vermutete man keinen Mord, sondern schrieb ihn den Folgen ihres Alkoholmissbrauchs zu. Dann, im Februar 2005, starb auf dem Hof ein ehemaliger Arbeiter der Eltern, inzwischen Rentner, der sich dort noch immer häufig aufgehalten hatte. Er habe ihn dort bereits tot gefunden, so stellt es Christian R. bis heute dar.

Rente des toten Knechts kassiert

Um aber die Rente des Mannes kassieren zu können, meldete er dessen Tod nicht, sondern versteckte die Leiche und beseitigte sie nach einem halben Jahr im Schweinestall. In 13 Monaten kassierte er dann etwas mehr als 10.000 Euro - bis mehreren der etwa 400 Ortsbewohner auffiel, dass der alte Mann nicht mehr auftauchte. "Er fehlte einfach im Ortsbild", sagt der Kasseler Oberstaatsanwalt Hans-Manfred Jung.

Die Nachbarn begannen zu fragen, bohrten nach, bis die Ausflüchte des Angeklagten nicht mehr genügten. R. ging in die Offensive und organisierte ein Begräbnis. Die Friedhofskommission genehmigte es nicht, schließlich gab es keine Sterbeurkunde, doch der Landwirt ließ sich davon nicht abhalten. Der Kirchenvorstand erstattete Anzeige, die Polizei holte die Urne aus dem Grab. Und fand darin nichts als Blumenerde.

Die Beamten begannen, nach der Leiche des Rentners zu suchen, bis Christian R. sie in die Scheune führte. Zwei Plastiktüten mit Leichenresten hatte er dort versteckt, "mehr hatten die Schweine nicht übriggelassen", sagt Oberstaatsanwalt Jung, weshalb nicht mehr untersucht werden kann, ob der Rentner wirklich eines natürlichen Todes gestorben ist.

Beide Eltern ermordet

Nach dem Fund aber wurden die Beamten misstrauisch, zumal der Angeklagte von Geldproblemen erzählt hatte, und ließen die Leichen der Eltern exhumieren. Gerichtsmediziner obduzierten sie. Als die Ergebnisse vorlagen, waren die Ermittler sicher: Es geht um Mord.

Im Fall des Vaters könne es sich nicht um den Tritt einer Kuh gehandelt haben, sagt Jung, "das war etwas Scharfkantiges, das er gegen den Hinterkopf bekommen hat". Bei der Mutter fanden die Mediziner Verletzungen am Hals. Die Staatsanwaltschaft glaubt, Christian R. könnte sie erwürgt haben - er habe allein auf dem Hof leben und seinen aufwendigen Lebensstil finanzieren wollen.

Vor Gericht bestritt er nun die Vorwürfe. Er empfinde "Unverständnis, Zorn und große Traurigkeit", schließlich habe er seine Eltern nicht umgebracht. Die Anklage wegen Mordes sei "komplett unsinnig". Mit mehr als 40 Zeugen und Sachverständigen wird die Staatsanwaltschaft versuchen, seine Version zu widerlegen.

Um die Störung der Totenruhe wird es dabei wohl kaum noch gehen, die hat Christian R. ja bereits gestanden. Und die Schweine sind längst geschlachtet, längst verkauft.

© SZ vom 24.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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