Elmshorn:Neues Strafmaß für den Mann, der Tim tötete

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Die Schuld des Angeklagten steht fest: Er hat den Zweijährigen zu Tode geschüttelt. Doch der Bundesgerichtshof wies die Strafzumessung als fehlerhaft zurück. Nun kommt es zur Neuauflage des Prozesses.

Vor dem Landgericht Itzehoe wird der Fall des kleinen Tim aus Elmshorn wieder aufgerollt. Mit versteinertem Gesicht und schweigend verfolgte der 39-jährige Oliver H. den Kampf seines Verteidigers um eine mildere Strafe.

In der Neuauflage des Prozesses geht es nicht mehr um die Schuld des Angeklagten, sondern um das Strafmaß für den ehemaligen Lebensgefährten von Tims Mutter. Der arbeitslose Bautischler war schon im März 2006 rechtskräftig von einer anderen Strafkammer des Landgerichts wegen Totschlags zu 13 Jahren Haft verurteilt worden, weil er den Zweijährigen im November 2005 zu Tode geschüttelt hatte.

Allerdings war sein Verteidiger mit einem Revisionsantrag vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe erfolgreich. An der grundsätzlichen Schuld des Verurteilten hatte der BGH nicht gezweifelt. Vielmehr beanstandeten die Karlsruher Richter eine fehlerhafte und widersprüchlich begründete Strafzumessung.

Insbesondere der zwölfstündige Todeskampf, den das Landgericht im Urteil angeführt hatte, sei nach Ansicht des BGH aus den gerichtlichen Gutachten nicht hervorgegangen, sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Zepter zum Prozessauftakt.

"Der Schuldspruch Totschlag ist rechtskräftig", betonte der Vorsitzende Richter Dietmar Bertermann. "Anders die Feststellungen zum Strafzuspruch: Sie können geändert werden." Die Itzehoer Richter müssen nun die Strafe für den 39-Jährigen neu festlegen.

Schlimme Schmerzen

Zum Prozessauftakt sagten erneut rechtmedizinisch Gutachter zum Leiden Tims aus. Todesursache sei eine "schwerstgradige Hirnschwellung" sowie die "Einklemmung vitaler Zentren" gewesen, erklärte der Neuropathologe Jakob Matschke.

Die Spuren an der Leiche sprächen für einen "Schleuder- oder Schüttelvorgan" sowie "schwere, stumpfe Gewalt, also ein Aufprall des Kopfes auf einen Gegenstand oder umgekehrt". Eine solche Behandlung führe meist "relativ schnell, innerhalb von Minuten" zum Tod.

Daher sei ein schneller Tod "wahrscheinlicher, als dass es länger dauerte". Auch laut Rechtsmediziner Jan Sperhake hat Tim nicht lange gelitten, allerdings erst, nachdem ihm die tödlichen Verletzungen zugefügt worden seien.

"Die tödlichen Verletzungen waren beileibe nicht die einzigen." So seien unter dem schwer verletzten Gewebe am Hinterkopf sowohl frische Anteile gewesen wie auch solche, "die sicher schon einige Tage alt waren". Dass das Kind in den letzten Tagen vor dem Tod schlimme Schmerzen gehabt habe, stehe außer Frage, sagte Sperhake.

Das Gericht muss darüber entscheiden, ob für die Strafzumessung das gesamte Leiden Tims ausschlaggebend ist oder ausschließlich der Zeitraum, nachdem er tödlich verletzt worden war. Die Mutter des Jungen begleitet den Prozess als Nebenklägerin, verließ jedoch vor Anhörung der Gutachter den Saal.

Zuvor hatte sie in klaren Worten die letzten Tage vor Tims Tod geschildert. Ihr damaliger Freund Oliver H. habe Tim zwar geholfen und auch mit ihm gekuschelt, sagte sie, "aber er war auch sehr streng".

Noch Hoffnung gemacht

Der Angeklagte verbrachte die Todesnacht in der Nachbarwohnung bei Tims Mutter. Tage später machte er der jungen Frau weis, er habe Tim unbemerkt in sein Kinderzimmer zurück gebracht. Die Leiche des Jungen wurde erst nach sechstägiger Suche in einem Garten in der Nähe von Tims Zuhause entdeckt.

Oliver H. hatte sie dort - verpackt in eine große Sporttasche - versteckt. Wichtig für die Strafzumessung ist das Verhalten des Angeklagten nach der Tat, erklärte eine Gerichtssprecherin. Dazu gehört auch, dass der 39-Jährige Tims Mutter aufgefordert hatte, ihren Sohn zu suchen, obwohl seine Leiche nur wenige Meter entfernt lag.

Auch in den Tagen danach habe er ihr immer wieder Hoffnung gemacht schilderte die Mutter als Zeugin vor Gericht. "Tim kommt wieder, beruhigte er mich." Bei der Polizei hatte der Angeklagte später dann aber versucht, möglichen Verdacht auf Tims Mutter zu lenken.

"Das Leben ohne Tim fällt mir immer noch schwer", sagte 22-Jährige am Montag mit leiser Stimme. Ein Therapeut kümmere sich zur Zeit um sie. Der Prozess wird fortgesetzt.

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