Eine Heilige?:"Die Resl hat das nicht gewollt"

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Der Vatikan prüft, ob die als Resl von Konnersreuth bekannte Therese Neumann tatsächlich Wunder bewirkte und 35 Jahre von nichts anderem lebte als Hostien. Bis heute scheuen sich die Konnersreuther, mit der Geschichte ihrer bekanntesten Bürgerin Geschäfte zu machen.

Von Rolf Thym

Konnersreuth - Nur wenige Besucher kämpfen sich an diesem Sonntagvormittag durch dichtes Schneegestöber zum Reslhaus in Konnersreuth. Das große Ereignis, das dann gut 400 Gäste anzieht, wird ja auch erst in ein paar Stunden beginnen - gleich nebenan, in der Pfarrkirche St. Laurentius.

Therese Neumann (Foto: Foto: dpa)

Dort wird der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller offiziell bekannt geben, dass der Vatikan auf seinen Antrag hin das Seligsprechungsverfahren über Therese Neumann eröffnet hat. Dass ausgerechnet an diesem Tag, der für die Konnersreuther so viel bedeutet, dichtes Schneetreiben über dem Ort liegt, kommt freilich nicht von ungefähr - meint jedenfalls der freundliche Herr, der im Wohn- und Geburtshaus der Therese Neumann die Aufsicht hat: "Das hat die Resl so gewollt."

Die hat den ganzen Rummel um sie nicht gemocht. Wenn welche gekommen sind, um sie zu sehen, hat sie gesagt: "Geht's 'nüber in die Kirche und bet's!"

Oben, im ersten Stock, ist hinter einer verschlossenen Glastüre das Zimmer zu sehen, in dem sie die Leiden Jesu empfand und ihre Visionen erlebte. Am 18. September 1962 starb sie an den Folgen eines Herzinfarkts in den Armen ihrer Schwester Maria.

Die wollte, ebenso wie der anwesende Geistliche Josef Naber, zunächst nicht glauben, dass die 64-Jährige tot war. "Denn mindestens fünf- bis sechshundertmal hatte man das schon gesehen, dass die Resl bei den Freitagsleiden die Todesqual mit dem Heiland gelitten hat und dann einfach zusammengesunken und wie tot eine Zeit liegen geblieben ist.

Die Marie hat alleweil gewartet, dass sie wieder zum Leben kommt, aber dazu ist es halt nicht mehr gekommen." So lauteten die Aufzeichnungen Nabers über das Sterben der Therese Neumann.

Über 35 Jahre hinweg hatte er aus nächster Anschauung erlebt, wie aus der Bauersmagd eine Stigmatisierte wurde, die auf rätselhafte Weise Heilung von Lähmung und Blindheit erfuhr; die in tiefer religiöser Entrückung aus Augen, Händen und einer Wunde an der Seite blutete; die trotz ihrer einfachen Bildung Aramäisch sprach, die Sprache Jesu, und die - so bezeugten es viele - gut 35 Jahre lang keine Nahrung zu sich genommen hatte außer den bei der Kommunion gespendeten Hostien.

Seit vielen Jahren suchen Gläubige um die Seligsprechung der Resl von Konnersreuth nach. Mehr als 40 000 Bittbriefe aus aller Welt gingen beim Regensburger Bistum bislang ein. Nun müsse im Seligsprechungsverfahren geprüft werden, wie die "außergewöhnlichen Phänomene zu erklären sind", sagt der Bischof vor dem Pontifikalamt.

Die umfangreichen Prüfungen können sich freilich noch lange hinziehen. Für die Menschen in Konnersreuth ist die Resl aber schon jetzt eine Heilige.

Noch heute kommen allein wegen ihr alljährlich um die 50 000 Besucher in den kleinen Ort. Viele US-Amerikaner sind darunter, die um Konnersreuth herum stationiert waren, aber auch Spanier, die "mit den Wundmalen ein starkes Christuserlebnis verbinden", erzählt Pater Benedikt, der in Konnersreuth für alles zuständig ist, was mit Therese Neumann zu tun hat.

Auf dem Friedhof ist ihr viel besuchtes Grab mit Tafeln übersät, auf denen "Resl, danke für Heilung" steht oder einfach nur "Resl hat geholfen".

Konnersreuth, der am nördlichen Ende der Oberpfalz gelegene Ort ist nicht gesegnet mit Betrieben, die den 2000 Einwohnern ein gutes Auskommen bescheren könnten.

Aber bis heute scheuen sich die Konnersreuther, mit der Geschichte ihrer bekanntesten Bürgerin Geschäfte zu machen. Bürgermeister Michael Hamann spricht von einem "moralischen Hemmschuh". "Die Resl hat das nicht gewollt", und Vertreter der Kirche hätten bislang darum gebeten, "dass wir keinen Kult aus ihr machen", erzählt Hamann, der als Bursche oft mit der Stigmatisierten gesprochen hatte.

Nirgendwo gibt es einen Souvenirladen mit Resl-Andenken - nur in einem Schreibwarengeschäft werden Bücher über sie angeboten. Schon zu ihren Lebzeiten war die vom Glauben zutiefst durchdrungene Frau ein Magnet für Konnersreuth geworden: Ihre Leidensmale, ihre Visionen und Ekstasen wurden in zahlreichen Büchern und unzähligen Zeitungsartikeln beschrieben. Ansonsten steht das Geburts- und Wohnhaus der Therese Neumann für Besucher offen.

Bemerkenswerten Einfluss hatte die Resl im November 1927 auf Fritz Gerlich, den Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten. Der Journalist hatte nicht glauben wollen, was in seinem eigenen Blatt über die wundersamen Ereignisse in dem oberpfälzischen Marktflecken geschrieben worden war. "Um dem Schwindel auf die Spur zu kommen", reiste Gerlich nach Konnersreuth und kam als Bekehrter zurück. Später schrieb er das zweibändige Werk "Die Stigmatisierte von Konnersreuth".

Andere mussten gar nicht erst bekehrt werden. Viele Niederländer zieht es auch heute noch in die oberpfälzische Gemeinde, weil es diese Geschichte von einer niederländischen Frau gibt, die von schwerster Erkrankung genesen sein soll -- nur weil sie inbrünstig zur Resl von Konnersreuth gebetet habe.

Mit dem Beginn des Verfahrens zur Seligsprechung werde die Resl-Verehrung zunehmen, glaubt Bürgermeister Michael Hamann. Neulich war ein Postulator des Vatikans da, sagt Hamann, und der habe erklärt, "dass wir eine neue Kirche bauen müssen".

Hamann denkt aber erstmal nur über mehr Betten nach. Pater Benedikt rechnet damit, dass sich die Zahl der Resl-Pilger auf 100 000 verdoppeln werde. Schließlich ziehen die der Therese Neumann zugeschriebenen wunderbaren Hilfen immer weitere Kreise: Neulich schrieb ein Schweizer dem Pater, dass er wieder Arbeit gefunden habe - allein dank seiner Gebete an die Resl.

© SZ vom 14.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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