Ein Anruf bei ...:Lucie Majerus, die Schmuck aus Zähnen macht

Lesezeit: 1 min

Milchzähne, die zu Ohrringen werden: Klingt irgendwie eklig, aber das ist es gar nicht, findet die Designerin aus Luxemburg.

interview Von Tim Niendorf

Milchzähne, Karies und Zahnweh? Für Lucie Majerus ein Geschenk. Die luxemburgische Designerin reißt sich um ausgefallene Zähne, poliert sie und macht aus ihnen Perlen. Sie sagt, sie wolle aus etwas Negativem etwas Positives machen.

Guten Tag, Frau Majerus, bitte verzeihen Sie, aber die erste Frage muss natürlich sein: Wie steht's um Ihre Zähne?

Bis jetzt habe ich nur meine Milchzähne und Weisheitszähne verloren. Aus zwei von ihnen habe ich einen Ring gemacht.

Ansonsten bekommen Sie Ihr Arbeitsmaterial von Ihren Kunden. Wer will das denn, seine Zähne als Schmuck tragen?

Zwei Professoren zum Beispiel. Sie gaben mir Zähne mit ziemlich großen Löchern drin. Und waren froh, sich damit schmücken zu können.

Klingt gewöhnungsbedürftig.

Die Zähne werden ja verwandelt und poliert. Die Perlen sehen dann aus wie Elfenbein. So gesehen wird der Ekel in Schönheit und Anziehung umgewandelt. Und wenn meine Kunden Komplimente von Bekannten bekommen, entstehen daraus schöne Gespräche.

Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Im Design-Studium ist mir bei einer Material-Recherche aufgefallen, dass Elfenbein selten ist. Zähne von anderen Tieren gelten hingegen als Abfall. Und ich fragte mich: Warum suchen wir Wertvolles immer nur bei anderen Wesen?

Also recyceln Sie lieber die eigenen Zähne.

Man schmückt sich mit etwas, das sonst weggeworfen wird. Aber es ist nicht der Hauptgedanke. Ich wollte auch etwas provozieren. Für mich ist der Schmuck auch eine Metapher gegen den Materialismus.

Und was kostet das ?

Zwischen 100 bis 400 Euro. Momentan habe ich ungefähr 15 Aufträge. Die Leute müssen natürlich auch erst einmal einen Zahn verlieren. Das geht ja nicht auf Knopfdruck. Allerdings, ob Sie es glauben oder nicht: Ich bekomme schon Zuschriften in den sozialen Netzwerken, da heißt es: "Du solltest in Kriegsgebiete gehen und den Menschen die Zähne ausreißen."

Um Himmels willen!

Sie sagen es. Da denke ich mir nur so: Okay? Nicht, dass das in Zukunft wirklich passiert. Aber mancherorts muss man ja auch Angst haben, dass einem die Organe geklaut werden.

Würden Sie eigentlich auch die Zähne meines verstorbenen Hundes veredeln?

Da sage ich nicht direkt nein. Ich habe jetzt gerade zum Beispiel einen Pferdezahn. Es ist doch überhaupt eine schöne Vorstellung: eine Kette als Erinnerungsstück an Verstorbene.

Und wie reinigt man den Schmuck? Mit Zahnpasta?

Warum nicht? Das ist der Zahn immerhin gewöhnt.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: