Ein Anruf bei ...:Frederik Gervasoni, Barfußläufer

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Schuhe ausziehen ist gesund und gemütlich. Aber auch auf der Straße? Und auch im Winter? Frederik Gervasoni aus München ist einer dieser Typen, die darauf schwören. Ein paar praktische Nachfragen.

Interview von Thilo Adam

Barfuß gehen gilt als gesund. In den eigenen vier Wänden, im Schwimmbad - aber auch auf der Straße? Frederik Gervasoni aus München ist einer dieser Typen, die darauf schwören. Sogar im Winter.

SZ: Langsam wird es kalt draußen. Kein Problem für Ihre Füße?

Frederik Gervasoni: Lange waren vier Grad meine Schmerzgrenze, inzwischen halte ich es bis etwa minus ein Grad aus. Wird es noch kälter, so ziehe ich tatsächlich Schuhe an.

Wie viele Schuhe besitzen Sie?

Drei Paar. Wenn ich so weitermache, halten die ewig. Aber noch viel besser: Ich muss nie Socken waschen.

Und deshalb laufen Sie barfuß?

Ich finde es vor allem sehr bequem. Auch Probleme mit Knien und Rücken kenne ich nicht. Da spielt sicher mein bewegungsreicher Lifestyle mit rein. Aber auch, wenn ich in die Berge gehe, mache ich das inzwischen barfuß. In der Stadt sowieso.

In der Stadt tritt man aber öfter mal in Dinge, in die man eigentlich nicht treten möchte, oder?

Barfuß im Schnee? Junge Frauen bei einer Tanzperformance im Central Park 1916. (Foto: imago stock&people/imago/UIG)

So richtig an einer Glasscherbe geschnitten habe ich mich noch nie. Man entwickelt einen anderen Blick für den Weg. Und Ekel, zum Beispiel vor Hundehaufen, ist relativ. Meine Frau kann es nicht verstehen, dass ich auf öffentliche Toiletten gehe. Dabei ist nach zwei, drei Schritten draußen eh das meiste wieder weg. Nur Nacktschneckenschleim, das musste ich lernen, bleibt beim Waschen ein zäher Gegner.

Außer Kälte: Bringt Sie denn gar nichts dazu Schuhe anzuziehen?

Mir fallen vor allem Vorstellungsgespräche ein. Diesen Sommer habe ich außerdem vier Wochen lang in der herzöglichen Hofmusik bei der "Landshuter Hochzeit" musiziert. In Schnabelschuhen. Ausgerechnet beim Mittelalterspielen war ich also wieder mit dem vermeintlichen Zivilisationsobjekt Schuh konfrontiert.

Wie schauen die Leute, wenn Sie barfuß unterwegs sind?

Meinem Chef ist egal, wie ich am Computer sitze. Allerdings hat mich ein schnöseliger Kellner mal aus dem Restaurant geschmissen - aus Hygiene-Gründen. Dabei sitze ich jeden Abend mit der Wurzelbürste auf dem Badewannenrand und schrubbe meine Füße, das macht der mit seinen Schuhen sicher nicht.

Frederik Gervasoni, 36, verheiratet, Vater, arbeitet als Online-Redakteur in München. Seit er sich erinnern kann, läuft er gerne barfuß. Wenn es sein muss, zieht er auch mal Schuhe an, findet aber: Es muss erstaunlich selten sein. (Foto: oh)

Sie sind also schuhlos glücklich?

Der Kontakt zum Boden gibt einem den ganzen Tag über etwas. Ganz ohne spirituellen Überbau. Ich nehme die Umgebung anders wahr. Als ich mich einmal mit einem Kumpel auf einem unübersichtlichen Flohmarkt zusammentelefonieren wollte, konnte er nicht fassen, dass ich fragte: Stehst du gerade auf Teer oder auf Kies?

© SZ vom 27.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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