Ein Anruf bei ...:Eva Busch, Kuscheltier- Expertin

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Gehören Kuscheltiere ins Klassenzimmer? Ja, sagt die Kinderpsychotherapeutin Eva Busch. Manche Schulleiter verbieten sie trotzdem.

Interview von Nora Reinhardt

"Hello Leistungsgesellschaft!", schrieb ein Twitter-Nutzer dieser Tage, offenbar ein junger Mann, er berichtete von der Einschulung seiner Brüder. Die Schuldirektorin habe den beiden untersagt, ihre Kuscheltiere mitzubringen, "das war's wohl mit der Kindheit", schrieb der junge Mann noch. Der Beitrag wurde tausendfach geteilt, denn das ist ja gerade dieser Tage, in denen überall in Deutschland Kindergartenzwerge zu Schulkindern werden, eine Frage, die in vielen Familien gestellt wird: Gehören Kuscheltiere ins Klassenzimmer?

SZ: Frau Busch, Sie sind Kinderpsychotherapeutin, beschäftigen sich also beruflich mit dem Kindeswohl. Was halten Sie von Kuscheltieren im Klassenzimmer?

Eva Busch: Kuscheltiere helfen den Kindern. Sie haben dann einen Unterstützer bei sich und spüren zusätzliche Sicherheit. Es spricht nichts dagegen, seinen Teddy mit in die Schule zu bringen. Er ist ja zum Glück stumm.

Sagt es etwas über den Entwicklungsstand eines Kindes aus, wenn es Kuscheltiere mit sich herumträgt?

Nein. Es kann sogar ein gutes Zeichen sein, wenn jemand ein Kuscheltier hat. Es zeigt, dass das Kind einen Partner, einen Tröster gefunden hat. Das steht für Reife.

Man würde eher das Gegenteil vermuten.

Ein Kuscheltier zeigt, das sich die Kinder in der Welt sicher fühlen. Ein Kind muss Sicherheit erfahren haben, um sich einen Lieblingsteddy herauszusuchen - ein Kind, das vernachlässigt wird und sich hilflos fühlt, entwickelt diese Fähigkeit nicht. Donald Winnicott, der Kinderarzt, nach dem unser Institut benannt ist, prägte den Ausdruck "Übergangsobjekt".

Das bedeutet?

Übergangsobjekte helfen beim Abnabeln von den Eltern. Das kann alles Mögliche sein: der Zipfel einer Decke, ein Faden, eine Puppe. Ich kenne ein Kind, das überall seinen Eierlöffel mit hinnahm. Andere lutschen am Daumen oder haben imaginäre Freunde. Es ist allerdings praktisch, wenn das Übergangsobjekt transportabel ist.

Ab welchem Alter ist es komisch, wenn ein Kind auf sein Kuscheltier besteht?

Gar nicht. Irgendwann verliert es ja automatisch an Magie: Die Kinder finden Freunde, erleben viel, und das Tier ist nicht mehr existenziell wichtig oder wird nur noch bei Fieber gebraucht. Normalerweise sind Übergangsobjekte bis zum sechsten Lebensjahr von Bedeutung, aber wenn es länger dauert, ist das überhaupt nicht schlimm. Eltern sollten dem Kind seinen Schatz lassen, und übrigens auch nicht erfragen, was das Kind und das Kuscheltier miteinander besprechen.

Angeblich verreisen sogar 19 Prozent der Erwachsenen mit ihrem Kuscheltier. Ist das nicht etwas seltsam?

Nein, alle Menschen haben etwas, das sie tröstet. Ob man einen Kaffee braucht, um zu glauben, dass der Tag gut losgeht, oder ob einem eine Halskette Kraft gibt. Jeder Mensch hat Rituale, Routinen, Objekte, mit denen er sich wohlfühlt. Talismane sind im Grunde doch auch nichts anderes als Kuscheltiere.

Was, wenn das heiß geliebte Kuscheltier verloren geht?

Keine Sorge, da kommt das Kind drüber weg. Manche besorgten Eltern kaufen das Lieblingskuscheltier gleich zweimal, aber das ist unnötig. Ich hatte früher immer einen Schnuller dabei. Einmal sind wir am Wochenende weggefahren, und ich habe den Schnuller vergessen. Meine Mutter behauptete, den hätten die Gänse gefressen. Das war zwar erst mal schlimm für mich, aber dann auch nicht mehr so wild.

© SZ vom 03.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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