Ein Anruf bei...:Andrej Lepustin

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Andrej Lepustin, 34, betreibt ein Ingenieurbüro in der russischen Stadt Nischni Nowgorod. In dem Büro wurde auch die olympische Fackel von Sotschi entworfen. (Foto: oh)

Der Unternehmer hatte Ärger mit der russisch-orthodoxen Kirche - sie hat ihre Rechnung nicht bezahlt. Jetzt müssen die Priester zur Strafe beten.

Interview von Julian Hans

Wohl zum ersten Mal in der Geschichte hat ein russisches Gericht einen Beklagten verpflichtet, einen Teil seiner Schulden mit Gebeten zu begleichen. Der Ingenieur Andrej Lepustin, 34, hatte die örtliche Diözese der orthodoxen Kirche verklagt, weil sie für Arbeiten seiner Firma nicht bezahlte. Das Schiedsgericht in Nischni Nowgorod vermittelte nun einen Vergleich.

SZ: Herr Lepustin, sind Sie mit dem Ausgang des Verfahrens zufrieden?

Andrej Lepustin: Ja, wir haben den Vergleich ja selbst vorgeschlagen.

Um wie viel Geld ging es?

Insgesamt hatten ich und meine Geschäftspartner auf Erstattung von einer halben Million Rubel geklagt, das sind heute etwa 5700 Euro. Unsere Firma hatte 2014 die Planung für Heizung und Warmwasserversorgung für einen Gebäudekomplex übernommen, zu dem eine Kirche, ein geistliches Zentrum und ein Hotel gehören. Aber die Diözese hat nur einen Teil bezahlt.

Und wie sieht der Vergleich jetzt aus?

200 000 Rubel - also 2300 Euro - bekommen wir noch. Denn Rest können die Geistlichen mit Beten ableisten.

Wie rechnet man das um?

Das ist im Urteil nicht genau festgehalten. Da steht nur: "Der Schuldner sichert zu, für die Gesundheit des Gottesknechts Arsenew und des Gottesknechts Lepustin, ihre Familien und den Erfolg aller ihrer Unternehmungen zu beten." Arsenew ist mein Geschäftspartner. Zeitpunkt, Ort und Dauer der Gebete wurden nicht festgelegt.

Finden Sie das nicht ein bisschen komisch: Beten gegen Geld?

Warum denn? Das ist bei uns absolut üblich: Die Gläubigen bezahlen dafür, dass der Pope für sie betet, oder für ihre Angehörigen oder die Verstorbenen. Das ist in der orthodoxen Kirche eine kostenpflichtige Dienstleistung, deshalb haben wir gedacht, wenn die Diözese nicht zahlt, bieten wir eben einen Tausch an.

Warum haben Sie dann geklagt und sich nicht mit den Priestern geeinigt?

Das hätten wir gern gemacht, aber wir konnten sie nicht erreichen. Die waren plötzlich verschwunden. Auf unsere Briefe haben wir keine Antwort bekommen.

Gehen Sie denn so oft in die Kirche, dass sich der Tausch auszahlt?

Ehrlich gesagt gehe ich fast nie in die Kirche. Ich habe auch noch nie solche kostenpflichtigen Dienstleistungen in Anspruch genommen. Aber wenn ich die Wahl habe, ob ich gar nichts bekomme oder das, dann nehme ich, was ich kriegen kann.

Haben sich denn schon andere Gemeinden gemeldet, die Ihre Arbeit jetzt auch gern zum Vergelt's-Gott-Tarif wollen?

Bislang noch nicht. Das können wir auch nicht auf Dauer so machen. Wir sind ein großes Ingenieurbüro, wir haben zum Beispiel die Fackel aus Beton in Sotschi gebaut, auf der während der Spiele das olympische Feuer brannte. Für den Rüstungskonzern Almas-Antei haben wir eine neue Fabrik errichtet. Wir sind gut im Geschäft, aber am Ende müssen wir unsere mehr als einhundert Mitarbeiter bezahlen.

Wie wollen Sie überprüfen, ob die Kirche Ihre Verpflichtung erfüllt?

Kontrollieren kann ich das nicht. Aber ich vertraue auf eine Vereinbarung unter redlichen Geschäftsleuten, auf Treu und Glauben sozusagen.

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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