Dutroux-Prozess:Schwere Vorwürfe gegen Ermittler

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Ein ehemaliger Untersuchungsrichter, der anfänglich an den Ermittlungen im Dutroux-Fall beteiligt war, hat den Ermittlungsbehörden im Mordprozess um den Kinderschänder schwere Versäumnisse bei der Suche nach den vermissten Mädchen vorgeworfen.

Hätte die Polizei damals alle verfügbaren Informationen sorgfältiger ausgewertet, wäre sie Dutroux viel früher auf die Schliche gekommen, sagte Untersuchungsrichter Jean-Marc Connerotte am Donnerstag vor dem Schwurgericht in Arlon.

Connerotte übernahm die Ermittlungen nach der Entführung der damals 14-jährigen Laetitia am 9. August 1996 in Bertrix.

Eine Zeugin hatte am Tatort einen weißen Lieferwagen beobachtet, der auf Dutroux zugelassen war. Vier Tage später wurden Dutroux, seine Exfrau Michelle Martin und Komplize Michel Lelièvre festgenommen.

Laetitia und die im Mai 1996 verschleppte Sabine wurden am 15. August aus dem Kellerverlies in Dutroux' Haus in Marcinelle befreit. Die Leichen der achtjährigen Julie und Melissa sowie der 17 Jahre alten An und der 19-jährigen Eefje wurden auf zwei Grundstücken Dutroux' wenig später ausgegraben.

Connerotte betonte, der Polizei hätte die Gefährlichkeit Dutroux' spätestens nach dessen erster Verurteilung wegen Vergewaltigung von fünf Mädchen 1989 bekannt sein müssen. Dennoch sei er nicht in Verdacht geraten.

Mangelhafte Zusammenarbeit innerhalb der Polizei

Connerotte führte dies auf eine mangelhafte Zusammenarbeit der Polizei in Lüttich, wo Julie und Melissa verschleppt wurden, und jener in Dutroux' damaligem Wohnort Charleroi zurück.

Nach Connerottes Angaben sind viele Details in dem Fall noch unklar. Er verwies auch auf die zweifelhafte Rolle des mitangeklagten Brüsseler Geschäftsmanns Michel Nihoul, der als Verbindung zu einem Netzwerk für Pädophile fungiert haben könnte.

In der Bevölkerung und bei den Eltern der missbrauchten und ermordeten Mädchen war Connerotte wegen der schnellen Festnahmen sehr populär.

Im Oktober 1996 wurde er aber von dem Fall abgezogen. Er hatte zuvor an einer Wohltätigkeitsveranstaltung für die ermordeten An und Eefje teilgenommen. Deshalb galt er als befangen. Die Entscheidung der Justizbehörden brachte den Unmut der Bevölkerung zum Überkochen. Am 20. Oktober 1996 demonstrierten rund 30000 Menschen in Brüssel gegen die Arbeit von Justiz und Polizei.

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