Drohende Abschiebung:Schachgenie Fischer wird vielleicht Deutscher

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Er hat hoch gepokert und verloren. US-Schachgenie Bobby Fischer sitzt in japanischer Haft und will seiner Auslieferung in die USA entgehen, die ihm einen Sanktionsverstoß vorwerfen. Jetzt erwägt er den nächsten Coup: die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen, um den USA eins auszuwischen.

Fischers Geschichte ist skurrill: Die USA suchen den früheren Schachweltmeister seit 1992, nachdem er trotz eines internationalen Embargos im damaligen Jugoslawien eine Weltmeisterschaft-Revanche gegen seinen alten Rivalen Boris Spasski gespielt und dafür eine drei Millionen-Dollar-Gage eingestrichen hatte. Ihm drohen bei einer Auslieferung bis zu zehn Jahre Haft.

Bobby Fischer bei seinem Match gegen Boris Spasski 1992 (Foto: Foto: AP)

Vor gut zwei Wochen war Fischer auf dem Tokioter Narita-Flughafen festgenommen worden, als er mit seinem mittlerweile abgelaufenen US-Ausweis in die Philippinen ausreisen wollte. Er sitzt seitdem in Haft, Japan prüft seine Auslieferung in die USA.

Allerdings hat Fischer eine Reihe von Freunden, die sich inzwischen zu einem Komitee "Befreit Bobby Fischer" zusammengeschlossen haben.

John Bosnitch, der Chef des Helfer-Komitees, erklärte am Donnerstag in Tokio, er stehe mit mehreren Staaten in Kontakt, um Fischer zu politischem Asyl zu verhelfen. Fischer denke auch darüber nach, einen deutschen Pass zu beantragen. "Nach den deutschen Gesetzen ist Bobby ein deutscher Staatsbürger", so Bosnitch weiter.

Fischer wurde am 9. März 1943 in Chicago als Sohn des deutschen Physikers Robert James Fischer geboren.

Der 61-Jährige werde möglicherweise bei der deutschen Botschaft in Tokio anrufen, etwas wie "Ich bin ein Berliner" sagen und einen deutschen Ausweis beantragen. Die deutsche Vertretung in Tokio wurde nach eigenen Angaben zunächst nicht von Fischer oder einem seiner Vertreter kontaktiert.

Zu Fischers Freunden zählt auch der ehemalige stellvertretende Außenminister Ichiji Ishii. Fischer solle bis zum Abschluss des Verfahrens freigelassen werden, weil keine Fluchtgefahr bestehe, sagte Ishii am Donnerstag.

Fischer gilt als eines der größten Schachgenies aller Zeiten. 1958 erhielt er im Alter von 15 Jahren als jüngster Spieler in der Geschichte den Großmeistertitel. Durch einen souveränen Sieg gegen den Russen Spasski wurde er 1972 Weltmeister. Nach seiner Weigerung, gegen seinen Herausforderer Anatoli Karpow anzutreten, verlor er 1975 den Titel wieder.

In späteren Jahren machte er vor allem durch seine Mitgliedschaft in einer Sekte namens Weltweite Gotteskirche und weniger durch sportliche Leistungen von sich reden.

Seine Anhänger ficht das nicht an. Bosnitch betont, Fischer sei nach wie vor ein Genie: "Er ist brillant."

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