Doppelmord von Arboga:Tod in der Familienidylle

Lesezeit: 2 min

Eine Hannoveranerin soll in Schweden zwei Kleinkinder ermordet haben. Im Gerichtssaal trafen sich die mutmaßliche Täterin und die Mutter der Toten.

G. Herrmann

Wegen Mordes an zwei Kleinkindern steht seit Mittwoch eine 32-jährige Studentin aus Hannover in Schweden vor Gericht. Sie soll aus Eifersucht die neue Partnerin ihres Ex-Geliebten sowie deren Kinder Max, 3, und Saga, 1, mit einem Hammer attackiert haben. Die 24-jährige Mutter hatte den Angriff schwer verletzt überlebt. Die Deutsche bestreitet alle Vorwürfe. Im Gerichtssaal der Kleinstadt Köping trafen am ersten Prozesstag die beiden Frauen aufeinander. Während der gesamten Untersuchungshaft hatte es keine Gegenüberstellung von Opfer und mutmaßlicher Täterin gegeben.

Tatort in Arboga, 17. März: Eine deutsche Studentin steht wegen des Doppelmordes an Kleinkindern in Schweden vor Gericht. (Foto: Foto: AP)

Der Doppelmord in der Kleinstadt Arboga hat Schweden erschüttert wie kaum ein anderer Kriminalfall in den vergangenen Jahren. Am frühen Abend des 17. März hatte der Lebensgefährte der 24-Jährigen seine Familie blutüberströmt im Flur des gemeinsamen Hauses gefunden. Die Mutter war kurz zuvor mit ihrem neuen Mann und den Kindern aus einer früheren Beziehung in eine ruhige Familiensiedlung gezogen. Der Verdacht der Polizei richtete sich schnell gegen die 32-jährige Hannoveranerin, die von schwedischen Medien nur "Tyskan" (die Deutsche) genannt wird.

Die Frau hatte den Stiefvater von Max und Saga 2006 bei einem Griechenlandurlaub kennengelernt. Der Schwede beendete die Beziehung aber bereits nach einem halben Jahr, weil er in Arboga seine neue Liebe gefunden hatte. Die Ex-Geliebte aus Hannover folgte ihm dennoch in den Norden, zog nach Stockholm und versuchte mehrmals vergeblich, Kontakt aufzunehmen. Die Trennung hatte sie offenbar stark belastet. Vor Gericht zitierte die Staatsanwaltschaft aus Briefen und Aufzeichnungen der 32-Jährigen, um zu belegen, dass sie regelrecht "besessen" gewesen sei. "Du hast mich zerstört, dafür hasse ich dich", schrieb die Deutsche unter anderem in ihr Tagebuch.

Mysteriöse Fotos

Die Verdachtsmomente gegen die Frau waren so schwerwiegend, dass die deutschen Behörden sie Ende April nach kurzer Auslieferungshaft an Schweden überstellten. Sie hatte über Ostern - also kurz nach der Bluttat - ihre Familie in Hannover besucht und war dort festgenommen worden.

Unstrittig ist, dass die Deutsche zur Tatzeit am 17. März in Arboga war, das etwa 100 Kilometer von Stockholm entfernt liegt. Die Angeklagte behauptet aber, sie habe sich dort nur alte Runensteine angesehen. Ihre Version hat allerdings Schwächen: So will sie zum Beispiel Digitalfotos der Wikingerrelikte gemacht und wieder gelöscht haben. Die Polizeitechniker konnten diese im Speicher ihrer Kamera jedoch nicht rekonstruieren.

Doch auch in der 30 Seiten umfassenden Anklageschrift gibt es Schwachstellen. Vor allem bemängelt die Verteidigung, dass den Ermittlern ein Beweis fehlt, der die Hannoveranerin direkt mit dem Tatort in Verbindung bringt. Die Beamten fanden im Haus weder Fingerabdrücke noch DNA-Spuren der Angeklagten, was Experten zufolge bei Gewaltverbrechen dieser Art ungewöhnlich ist. Die Mordwaffe, vermutlich ein Zimmermannshammer, ist verschwunden.

Die Staatsanwaltschaft hat mehr als 50 Zeugen zum Prozess geladen. Für das komplizierte Verfahren hat das Gericht 13 Verhandlungstage vorgesehen, es wird voraussichtlich bis zum 19. August dauern. Nebenkläger sind die 24-jährige Mutter, ihr Lebensgefährte und der getrennt von ihr lebende Vater der beiden Kinder. Alle drei fordern Schmerzensgeld und Schadensersatz von der Deutschen.

Besonders gespannt warten Prozessbeobachter auf die Aussage der Mutter von Max und Saga. Sie ist die einzige Zeugin, die das Verbrechen mit eigenen Augen gesehen hat. Die 24-jährige lag jedoch nach der Hammerattacke zwei Wochen im Koma und litt anschließend an Gedächtnisverlust. Medienberichte zufolge erinnert sie sich mittlerweile an eine Frau mit ausländischem Akzent. Eine Gegenüberstellung vor dem Prozess verweigerte die Hannoveranerin mit der Begründung, die Zeugin sei wegen der Presseberichte möglicherweise voreingenommen. Beim ersten Zusammentreffen vor Gericht zeigten Opfer und Angeklagte kaum Reaktionen.

© SZ vom 31.07.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: