Doku-Soap:Das Wunder von Hacheney

Lesezeit: 2 min

Krisenkick in Dortmund: Das Fernsehen soll den Verein SSV Hacheney retten. Der Tabellenletzte der Kreisliga B steht vor dem Abstieg. Angst, dass der Verein zu sehr vom Fernsehen vereinnahmt wird, hat niemand in Hacheney.

Von Hans Hoff

Nicht allen in Dortmund geht es derzeit so schlecht wie den Borussen - manchen geht es noch ein bisschen schlechter. Die Millionäre hadern im 80.000 Zuschauer fassenden Monsterstadion mit den Bilanzzahlen und dilettieren fußballerisch im Bundesliga-Mittelfeld, doch fünf Kilometer südöstlich geht es um alles.

Hauptakteur Burgsmüller gibt den Spielern des Kreisligaklubs SSV Hacheney Trainingsanweisungen. (Foto: Foto: dpa/Kabel 1)

Könnte ein Stadtteil sich kleiden, dann trüge Dortmund-Hacheney Schwarz. Der örtliche Fußballklub ist in Gefahr. Dreimal hat der SSV Hacheney 61 e.V. in seiner 44-jährigen Geschichte schon den Aufstieg in die Kreisliga A geschafft und den 184 Mitgliedern damit ein wenig Freude bereitet.

Momentan gibt es keinen Grund zum Jubel: In der Hinrunde der Kreisliga B hat der SSV fast jedes Spiel verloren und steht als Tabellenletzter vor dem Abstieg in die C-Klasse.

Die Sportanlage von Hacheney entspricht ungefähr dem Tabellenstand der Elf. "Stören bei der Ballannahme" steht auf dem Programm des Trainers Uwe Jeusek. Zu dem hält der Verein, obwohl seine Spieler so kläglich versagt haben. "Wir brauchen auf jeden Fall ein Wunder", sagt Jeusek.

FC Bayern der Kreisliga

Er sagt das ganz ruhig, denn er weiß, dass das Wunder oder zumindest das, was man in Hacheney für ein solches hält, bereits eingetroffen ist. Das Wunder heißt Manfred Burgsmüller, einst ein Bundesliga-Star und lange bei der benachbarten Borussia Dortmund unter Vertrag.

"Wir sind mit dem groß geworden", sagt Jeusek. Manni soll's nun richten, er soll als Motivator, Berater und Geldbeschaffer die müden Kicker auf Klassenerhalt trimmen. Und irgendwann kommen auch noch die bekannten Sportsfreunde Uli Stein und Frank Busemann vorbei, die sich um Torwarttraining und Kondition kümmern.

Natürlich machen die Stars das nicht nur aus Liebe zum SSV Hacheney, sondern weil sie sich auch Medienpräsenz versprechen. All ihre Bemühungen werden von Kameras begleitet und 15 Wochen lang immer donnerstags bei Kabel 1 ausgestrahlt - als Doku-Soap, in der es emotional auf und ab gehen soll.

Drumherum wichtiger als Gebolze

An direkte Siege glaubt Burgsmüller aber sowieso nicht: "Wir werden nicht gleich den Durchmarsch machen." Das Technische Hilfswerk hat er schon verpflichtet fürs Training. Die Männer in Blau haben an hohen Masten vier "Power Moons" aufgehängt - Ballons, aus denen ordentlich helles Licht strömt. Das brauchen die Kameras.

Die Fernsehmenschen sind am Gebolze weniger interessiert. "Für uns ist das Drumherum wichtiger", sagt Boris Quarg von der Produktionsfirma Spin TV und schwärmt von den Entertainerqualitäten der Dortmunder Krisen-Kicker. "Du hältst drauf, und die reden."

Reden ist wichtig fürs Fernsehen, weshalb auch Burgsmüller gleich zum verbalen Foulelfmeter antritt: "Wir sind jetzt der FC Bayern der Kreisliga B." Über die Reihe der Niederlagen mag er nicht reden, er wolle "nicht noch mal Öl ins Feuer gießen", aber klar sei: "Wenn die Scheiße bauen, sage ich denen das auch. Ich kann auch laut werden."

Angst, dass der Verein zu sehr vom Fernsehen vereinnahmt wird, hat niemand in Hacheney. "Der Titel heißt Helden der Kreisklasse und nicht Trottel der Kreisklasse", sagt Trainer Jeusek. Er vertraut dem Fernsehen. Wem soll er sonst vertrauen - bei diesem Tabellenstand. "Wenn wir schlecht sind, sind wir selber schuld." In Dortmund könnte sich so mancher ein Beispiel am SSV 61 nehmen.

Helden der Kreisklasse, Kabel 1, Donnerstag 23.35 Uhr.

© SZ vom 24.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: