Die Folgen des Hurrikans:Es droht eine humanitäre Katastrophe

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Die Situation im Süden der USA übertrifft inzwischen die schlimmsten Befürchtungen. Hunderte von Menschen wurden getötet und in New Orleans muss mit einer vollständigen Überflutung gerechnet werden.

Zwei Tage nach dem verheerenden Hurrikan "Katrina" droht in den Krisengebieten der USA eine humanitäre Katastrophe. Die Behörden in Louisiana, Mississippi und Alabama rechnen mit mehreren hundert Toten.

Hände einer Bewohnerin von New Orleans nach ihrer Rettung. Die Vierzigjährige hatte zwei Tage im Wasser ausharren müssen. (Foto: Foto: dpa)

Mehr als 2,5 Millionen Bewohner in der Region sind ohne Strom. Allein in Louisiana sind eine Million Menschen obdachlos. Tausende verzweifelter Menschen, die seit mehr als 48 Stunden ohne Licht, Strom und Telefon auf den Dächern ihrer Häuser ausharren, warteten weiter auf Rettung.

Weil immer mehr Pumpen versagen, droht die unterhalb des Meeresspiegels liegende Touristenmetropole New Orleans im Wasser zu versinken. Die Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco, sagte: "Die Situation ist unhaltbar." Weil zwei Dämme des nahe gelegenen Pontchartrain-Sees und die zentrale Wasserleitung gebrochen seien, wolle sie die ganze Stadt evakuieren lassen.

Prekär ist dabei vor allem die geographische Lage von New Orleans. Die Stadt liegt wie ein von vier Seiten mit Dämmen gesichertes Fort zwischen dem Salzwassersee Pontchartrain und dem Mississippi. Sollten die Dämme nicht schnell abgedichtet werden und die Pumpen wieder arbeiten, läuft die tiefer gelegene Stadt zwangsläufig bis auf die Höhe des Sees voll.

"Die Schüssel füllt sich"

Auch der Bürgermeister von New Orleans, Ray Nagin, befürchtet, dass die Stadt vollständig überflutet werden könnte. "Die Schüssel füllt sich", sagte Nagin in einem Interview mit dem lokalen Fernsehsender WDSU.

Nagin berichtete zudem, Leichen würden von den Rettungskräften in den Booten einfach bei Seite gestoßen. Die Häuser mit Toten würden mit roten oder schwarzen Zeichen markiert.

Im Superdome, einem als Notunterkunft ausgewiesenen Football-Stadion, herrschten katastrophale Zustände, nachdem sich die Zahl der Flüchtlinge dort auf 30.000 verdreifacht hat.

Im Nachbarstaat Mississippi wurde nach den Worten von Gouverneur Haley Barbour ein 100 Kilometer langer Küstenstreifen zu 90 Prozent zerstört. Der Behördensprecher von Biloxi in Mississippi rechnet mit mehreren hundert Toten, die unter den dortigen Schuttmassen begraben sein könnten.

Plünderungen

In New Orleans plünderten Einwohner trotz eines verhängten Ausnahmezustandes Lebensmittelmittelgeschäfte. Nach Angaben eines Fernsehsenders verletzte ein Plünderer einen Polizisten mit einem Kopfschuss.

Es habe wie nach einem Angriff mit Atomwaffen ausgesehen, sagte Mississippis Gouverneur Barbour dem Nachrichtensender CNN. Die Zahl der Todesopfer liege in Mississippi derzeit zwischen 50 und 80. "Wenn Sie diese Zerstörung sehen, ist alles möglich", antwortete Barbour auf die Frage, ob sich die Zahl der Toten weiter erhöhen werde.

Die demokratische Senatorin Mary Landrieu verglich die Situation in Louisiana mit der in Indonesien nach dem Tsunami Ende vergangenen Jahres.

Ein Mann stürzte sich vom Stadiondach

Die Zustände im überdachten und übervölkerten Superdome von New Orleans werden als völlig katastrophal beschrieben. Bei Temperaturen von 33 Grad Celsius fielen wegen des Hochwassers der Strom aus. Weder Toilettenspülungen noch Klimaanlagen funktionieren. Überall stapelt sich nach Augenzeugenberichten der Müll. In dem Stadion ist es heiß, stickig und feucht. Ein Mann stürzte sich von einer Tribüne des Stadions in den Tod.

Das Wasser hat sich inzwischen auch seinen Weg in das historische Touristenviertel "French Quarter" gebahnt. Soldaten der Nationalgarde haben hier Positionen bezogen, um Plünderungen der Hotels zu verhindern.

Gesamtschäden in Milliardenhöhe

Die versicherten Gesamtschäden durch den Hurrikan könnten 12 bis 26 Milliarden Dollar (10 bis 21 Milliarden Euro) betragen, schätzt die auf die Risiko-Analyse von Katastrophen und Wetter spezialisierte US-Firma AIR Worldwide Corporation. Damit sei "Katrina" möglicherweise die teuerste Naturkatastrophe der USA.

"Katrina" verlor auf dem Weg nach Nordosten weiter an Kraft. Dennoch wurde auf ihrem Weg durch die Bundesstaaten Indiana und Ohio noch mit erheblichen Niederschlägen gerechnet.

US-Präsident George W. Bush brach angesichts der verheerenden Naturkatastrophe seinen Urlaub ab, um eine Sitzung des Krisenstabes zu leiten. Am Freitag will Bush in die Krisenregion von Louisiana fliegen.

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