Deutscher Wein:Vom Klimawandel verwöhnt

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Die Wetterkapriolen machen den deutschen Winzern zu schaffen - trotzdem wird der Jahrgang 2006 besonders beim Rotwein sehr gut ausfallen.

Von Patricia Bröhm

Wer in diesen Tagen mit Werner Näkel spricht, hat es mit einem "rundum glücklichen" Mann zu tun, wie er selbst sagt. Während Weinberge und Wälder schon buntes Laub tragen und aus den Kellern der Duft von frisch vergorenem Wein steigt, ist für die deutschen Winzer der Moment gekommen, sich zurückzulehnen und ein Fazit zu ziehen.

Erfreuliche Ernte: Die Winzer sind mit dem Jahrgang 2006 weitgehend zufrieden. (Foto: Foto: dpa)

Der Chef des Weinguts Meyer-Näkel in Dernau an der Ahr, der zu den besten deutschen Rotweinproduzenten zählt, zieht eine durchweg positive Bilanz: "Wir hatten in diesem Jahr traumhafte Bedingungen für die Weinlese. Gesundes Lesegut, schön ausgereift, mit optimalen Öchslegraden und Säurewerten."

Bei den ersten Jungweinproben schwenkte Werner Näkel kräftige, tiefdunkle Rote im Glas, die Großes hoffen lassen. "Ich mache das jetzt seit fast 30 Jahren", sagt er, "aber ich glaube, wir hatten noch nie eine so gute Ernte." In den Kellern an der Ahr reift ein großer Spätburgunder-Jahrgang heran - doch nicht überall hatten die Winzer soviel Glück.

Zwar startete die Lese in fast allen 13 deutschen Anbaugebieten Mitte bis Ende September mit guten Voraussetzungen und gesunden, schön ausgereiften Trauben. Doch dann trat ein, was Winzer am meisten fürchten: heftiger Regen während der Erntezeit.

Schnelle Ernte

Die Feuchtigkeit führt dazu, dass die reifen Trauben extrem anschwellen, die Schalen werden bis zum Äußersten gespannt und platzen leicht auf. So bieten die Beeren ideale Angriffsflächen für Pilzbefall und beginnen zu faulen.

"Selten sind die Trauben so schnell eingebracht worden wie in diesem Herbst", sagt der Präsident des Deutschen Weinbauverbandes Norbert Weber. "Stellen Sie sich vor: Sie waren am Sonntag draußen und haben den Grauburgunder angeschaut und gedacht: Am Dienstag ist der toll. Und als Sie am Dienstag gekommen sind, haben Sie keine gesunde Beere mehr gefunden."

Nachdem viele schadhafte Beeren schon im Weinberg von Hand herausgeschnitten wurden, ist es in vielen Spitzenweingütern Usus, nach der Ernte nochmals penibel zu selektieren, um nur erstklassiges Traubengut zu verarbeiten. "Die Mostgewichte waren von Anfang an gut bis sehr gut," sagt Barbara Acham vom Weingut Acham-Magin in der Pfalz. "Aber die Menge schmolz von Tag zu Tag und von Stunde zu Stunde wie Schnee in der Sonne. Hunderte Stunden mühevoller Handarbeit resultieren in einer Minimenge Wein mit hohem Qualitätsniveau."

Dramatische Einbußen

Insgesamt liegt die Erntemenge in Deutschland dieses Jahr bei rund neun Millionen Hektoliter, das ist kaum weniger als im Vorjahr. Für viele der im Verband deutscher Prädikatsweingüter (VdP) organisierten Betriebe sind die Einbußen aber wegen der strengen Selektion recht dramatisch: "Wir haben knapp die Hälfte einer normalen Ernte", sagt Hansjörg Rebholz vom Weingut Ökonomierat Rebholz im pfälzischen Siebeldingen.

Das gilt auch für viele seiner Kollegen in der Pfalz, in Rheinhessen, im Rheingau und in Baden, wo teils sintflutartige Regenfälle und Hagel besonders unbarmherzig zuschlugen. "Klein, aber fein", so beschreibt Rebholz den Jahrgang 2006. "Die ersten Fassproben zeigen Weine mit gutem Zuckergehalt, guten Mostgewichten und einer tragenden, reifen Säure."

"Königin der Reben"

Vor allem Riesling-Freunde sollten sich beizeiten eindecken. Denn gerade bei dieser Rebsorte, die in diesem Jahr früh reif und daher anfälliger war, wird das Angebot an Spitzenweinen deutlich geringer ausfallen.

Schlechter hätte das Timing nicht sein können, so Hansjörg Rebholz: "Noch nie war das Interesse an deutschen Spitzenweinen weltweit so groß wie heute. Und ausgerechnet jetzt werden wir nicht genügend Wein haben, um die Nachfrage zu befriedigen."

Tatsächlich ist die Wertschätzung für die Rebsorte, die Kennern als "Königin der Reben" gilt, in den letzten Jahren nicht nur im eigenen Land gestiegen. Auch im Ausland wächst die Nachfrage nach Riesling aus deutschen Landen.

Im Osten entstehen neue Märkte. Auch in den asiatischen Metropolen ist das Interesse groß. "Dort sind besonders die fruchtigen Rieslinge gefragt," sagt Hansjörg Rebholz, "weil sie so gut mit der asiatischen Küche harmonieren."

Richtig gut ist der warme Herbst für die im Ausland besonders gesuchten edelsüßen Spezialitäten verlaufen, vor allem an Mosel, Saar und Ruwer. Denn wenn auch Fäulnis für Winzer meist Stress bedeutet und viele schadhafte Beeren herausgeschnitten werden mussten, so gibt es auch die Edelfäule, die das Herz des Winzers höher schlagen lässt.

Aus handselektierten Trauben werden dann die raren Beeren- und Trockenbeerenauslesen gewonnen. Die Jungmoste wecken in diesem Jahr mit großartiger Säurestruktur und Aromen von Honig und getrockneten Früchten Hoffnung auf zukünftigen Genuss.

Alle reden vom Wetter - das gilt für die Winzer von Berufs wegen ganz besonders. Vielen bereitete aber nicht nur die diesjährige Ernte Kopfzerbrechen. Laut einer Umfrage des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung beobachten 80 Prozent der deutschen Winzer in ihren Weinbergen bereits seit Jahren die Auswirkungen des Klimawandels.

In vielen Anbaugebieten haben sich die Termine für Austrieb, Blüte, Reifebeginn und Ernte nach vorne verschoben, auch vermehrter Schädlingsbefall ist ein Problem.

Ausgezeichneter Jahrgang

Zu den Profiteuren des Klimawandels könnten allerdings die deutschen Rotweinwinzer zählen. An der Ahr freut man sich nicht zum ersten Mal in der vergangenen Dekade über einen ausgezeichneten Jahrgang.

Werner Näkel sieht die Veränderungen denn auch durchaus positiv und unaufgeregt: "Klimaveränderungen hat es immer gegeben. Heute ist die Ahr noch das nördlichste Rotwein-Anbaugebiet Deutschlands, aber wer weiß, was die Zukunft bringt? Bis vor 200 Jahren gab es bis weit nördlich von Köln Weinbau."

© SZ vom 4.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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