Der Tod des kleinen André:"Wir waren nicht untätig"

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Das Jugendamt Iserlohn weist Vorwürfe im Fall André zurück. Der Junge war am 22. Juni dem Obduktionsergebnis zufolge an "Unterernährung und fehlender Flüssigkeitszufuhr" gestorben.

Dirk Graalmann

Die Stadt Iserlohn hat eine Mitschuld am Tod des drei Monate alten André von sich gewiesen. In einer Pressekonferenz am Dienstag erklärte der zuständige Dezernent Friedhelm Kowalski: "Der kleine André ist nicht gestorben, weil wir faul, untätig und desinteressiert waren, sondern obwohl wir umfassend und fachgerecht für ihn und seine Geschwister im Einsatz waren."

Grabschmuck bei der Beerdigung des kleinen André. (Foto: Foto: ddp)

Der Junge war am 22. Juni dem Obduktionsergebnis zufolge an "Unterernährung und fehlender Flüssigkeitszufuhr" gestorben, obwohl das Jugendamt die Familie seit Oktober 2006 betreut hatte und das Kind regelmäßig zu ärztlichen Untersuchungen gebracht worden war.

Die Behörden der Stadt Iserlohn (Sauerland) legten am Dienstag eine detaillierte Dokumentation vor, in der die Hilfen, Gespräche und Maßnahmen der Behörden verzeichnet sind. Demnach wurde die fünfköpfige Familie im Zeitraum von acht Monaten insgesamt knapp 60 Mal von den Behörden aufgesucht.

Zunächst von einem Bezirkssozialarbeiter und seit dem 13. März von der eingesetzten Familienhelferin. Die ausgebildete Sozialpädagogin gilt als erfahrene Kraft, sie ist selbst Mutter und seit 13 Jahren für die Stadt als Familienhelferin im Einsatz. Sie war zwischen der Geburt des Kindes am 18. März und seinem Tod am 22. Juni insgesamt 49 mal in der Wohnung der Familie. Noch am 19. Juni stellte sie bei einem Besuch ,,keine Auffälligkeiten'' fest.

Es sei "fraglich", so Kowalski, "ob die Familienhelferin dabei hätte erkennen können oder müssen, dass eine Unterversorgung vorlag". Diese Zweifel werden auch von führenden Kinderärzten oder geteilt. Es sei "aus medizinischer Sicht nicht auszuschließen, dass bei bloßer Ansicht des Kindes nichts erkennbar ist", sagte etwa Dr. Dominik Schneider, Leiter der Kinderabteilung im Dortmunder Klinikum Mitte der Süddeutschen Zeitung.

Eine Austrocknung könne, so sagte Schneider, insbesondere im Falle einer Infektion, innerhalb von ein bis zwei Tagen lebensbedrohlich werden. Ein derartiger Todesfall sei, so führte Jugendamtsdezernent Friedhelm Kowalski ins Feld, bei allen Hilfen und Maßnahmen von Seiten der Behörden "offenbar nie ganz auszuschließen".

Die Bereichleiterin des städtischen Sozialraumteams Manuela Schacke sagte: "Bei allem, was wir tun, können wir nicht die Verantwortung für das Gelingen des Lebens übernehmen".

© SZ vom 18.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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