Der Deutschen neue Wörter:Taikonaut mit Nabelpiercing

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Was haben Schurkenstaat und Intimschmuck gemein? Richtig, beide Wörter stehen im neuen Duden - neben 5000 weiteren Gewinnern. Wie die Wächter der deutschen Sprache über Wortkarrieren entscheiden.

Von Michael Nienaber

Die deutsche Sprache wächst und entwickelt sich weiter. Ob Terrornetzwerk oder Nabelpiercing, Kaufzurückhaltung oder Qualifying - wie nie zuvor nehmen die Deutschen neue Wörter in den Mund und damit in ihren Sprachgebrauch auf.

So schön kann Sprachforschung sein. Intimschmuck und Nabelpiercing stehen fortan im neuen Duden. (Foto: Foto: AP)

Den Trend zum Neusprech belegt die überarbeitete Auflage des Duden, die dieser Tage in die Läden kommt und einen interessanten Einblick in die deutsche Sprach-Evolution erlaubt.

Gleich 5000 Wörter befand die Dudenredaktion in Mannheim als würdig genug und ebnete ihnen den Weg auf die insgesamt 1150 Seiten des gelben Standardwerks.

Getrost können Schüler in ihren Deutschaufsätzen nun wuschig über Baggypants und Nordic Walking philosophieren, aber auch gerne die Schuldenfalle mit der Musiktauschbörse uncool um die Wette schnackseln lassen.

"Wir orientieren uns bei unserer Auswahl an der geschriebenen und der gesprochenen Sprache", erklärt Werner Schulze-Stubenrecht, der im Dudenverlag die 23. Auflage koordinierte. Den Vorwurf, seine Redaktion mache hässliche Anglizismen und üble Wortkreationen salonfähig, habe er öfters gehört. Doch auf Schönheit komme es in erster Linie nicht an.

"Unsere Informationspflicht zu neuen Wörtern und ihrer Schreibweise ist wichtiger als irgendwelche sprach-ästhetischen Fragen, die ja eh nur subjektiv sind", sagt der Sprachwissenschaftler. Die Häufigkeit, mit der das neue Wort in der Öffentlichkeit auftauche und genutzt werde, sei ausschlaggebend.

Für den neuen Duden durchforsteten zwölf Sprachforscher vier Jahre Zeitungen, Magazine, Bücher und andere Publikationen - immer auf der Suche nach dem Neuen. Eine Hand voll freier Mitarbeiter lauschte zudem bei Gesprächen in der U-Bahn oder vor dem Kino.

Die Sprachexperten schauten natürlich auch Fernsehen, guckten Werbung und machten sich dann eifrig Notizen. Botox, aha. Aufhübschen, soso. Steuervergünstigungsabbaugesetz. Sieh einer an!

Auch Einsendungen von Bürgern wurden gesichtet und berücksichtigt. "Mein Liebling unter den neuen Wörtern geht auf einen Vorschlag aus Österreich zurück", erzählt Schulze-Stubenrecht.

Nun stehe im dicken Nachschlagewerk unter "B" der Begriff Blitzgneißer, was am ehesten mit dem ebenfalls ironisch gemeinten Blitzmerker zu übersetzen sei. Auch auf den ersten Blick rätselhafte Wörter erklärt der neue Duden: Taikonaut = asiatischer Weltraumfahrer, SUV = Sport Utility Vehicle.

Trotz aller Informationspflicht tummeln sich unter den mehr oder weniger neuen Wörtern jedoch auch viele Fremdwörter und Anleihen aus der Umgangssprache, die staunen lassen: So bladen wir nun zu einem Hotspot und casten uns einen Muggel für die Late-Night-Show. Und die Kante geben wir uns jetzt sprachlich abgesegnet mit Mojitos und Alcopops. Prost, auf die Rechtschreibreform!

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