Das Streiflicht:Woran erkennt man eine Hexe?

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Am fliegenden Besen? Am roten Haar? Daran, dass sie ins Dschungel-Camp eingeladen wird? Und was hat die Royal Navy damit zu tun? Antworten auf drängende Fragen vor Halloween.

Früher, als Nachhaltigkeit und Gewässerschutz noch Fremdwörter waren, wurden die üblichen Verdächtigen bei Bedarf einfach von der Brücke geschubst: Soll doch die Festkörperphysik entscheiden! Wer mit dem Teufel im Bunde ist, wird schon nicht untergehen und soll erst wieder auf dem Scheiterhaufen trocknen.

Nichts zu lachen hat der Kürbis in Washington: "Echte" Hexen ließen an einigen Schulen Halloweenpartys verbieten. (Foto: Foto: ddp)

Weil aber der Aberglauben nicht überall gleichzeitig überwunden worden ist, musste sich ein britisches Kolonialgericht in Afrika noch im vorigen Jahrhundert mit einem Gottesurteil herumschlagen.

Ein Teufelsaustreiber hatte einer Frau ein giftiges Kraut verabreicht, das angeblich nur bei Hexen anschlägt. Die Obduktion ergab, dass es sich bei dem Gift um ein Placebo gehandelt hatte.

Trotzdem war die Frau gestorben, und zwar an den Folgen ihrer Todesangst. War sie also doch eine Hexe? Die Richter kapitulierten, weil sie nur über Tatbestände urteilen wollten, die vom Durchschnittsengländer daheim akzeptiert würden, und der Hexenglaube gehöre nicht dazu.

Die Haltung spräche für vorbildlich praktizierten Kulturrelativismus, hätten nicht die Richter versäumt, den Durchschnittsengländer zu befragen. Andernfalls nämlich hätten sie Schwert und Waagschale gegen Zauberhut und Drudenfuß vertauschen müssen.

Einerseits hat sich die Hexe nach dem Ende ihrer Verfolgung in einen eher stillen Winkel der Nischenkultur zurückgezogen und wurde als ländliche Heilerin nur noch von feministisch-ganzheitlichen Zauberlehrlingen besucht.

Andererseits nahm niemand daran Anstoß, dass zynische, hexenfeindliche Werke wie "Hänsel und Gretel" weiterhin unzensiert öffentlich dargeboten werden konnten.

Seit dem weltweiten Siegeszug von Halloween hat die Hexe jedoch wieder ihren Besen gesattelt. Mitten im Mutterland des Halloween-Kults, im amerikanischen Bundesstaat Washington, sind nun an einigen Schulen die traditionellen Halloween-Feiern verboten worden, und zwar, weil die Darstellung der Hexen im Rahmen der Umzüge eine Diskriminierung "echter" Hexen sei, namentlich der Anhänger des Wicca-Kultes, einer Kongregation semiprofessioneller Softsatanisten.

Dazu passt eine Meldung, der zufolge ein bekennender Satanist in den Diensten der britischen Royal Navy sein Recht auf freie Religionsausübung durchsetzen konnte, inklusive des Anspruchs auf ein Begräbnis nach dem Ritus der Kirche des Satans.

Chris Cranmar ist erleichtert, weil er nun ohne Angst vor Anfeindungen abends im Bett seine Satansbibel rausholen kann, um sich "etwas zu entspannen". Dazu der Kommentar des Marineadmirals a. D. Sir Sandy Woodward, Befehlshaber im Falkland-Krieg: "Was zum Teufel ist denn hier los?"

© SZ vom 26.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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