Das Streiflicht:Von Latin Lovers und "mammonis"

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Dio mio, ragazzi, da gibt es eine Meldung, die, sofern sie Verbreitung findet, euch in aller Welt lächerlich macht: Der italienische Mann, so eine Studie der Universität Missouri, ist als Macho ein kompletter Ausfall, ein totales Weichei etwa im Vergleich zu amerikanischen Männern.

Bitte, das sind seriöse wissenschaftliche Befunde, und wir zitieren das mit Genugtuung. Gerne wären wir dabei, wenn in den Bars von Rom oder Mailand jemand die Nachricht verliest und mit einem Mal Stille herrscht. Eine bedrückende Stille. So als schwebte ein Gespenst durch den Raum. Zuerst ist nur ein Schluchzen zu hören, ein leises Wimmern, und man sieht, wie unter schwarzen Sonnenbrillen Tränen hervorkullern. Dann der Griff zur Zigarette, vergebens. Rauchen haben sie sich auch verbieten lassen, die Memmen. Jetzt hilft nur eins: Flucht zum einzigen und letzten Refugium des italienischen Mannes. Heim zur mamma.

Auch ein Italiener, auch ein Weichei? Eros Ramazzotti gilt als Latin Lover. (Foto: Foto: dpa)

Als kürzlich eine Umfrage publik wurde, derzufolge sich der Anteil der "Mammoni", also der bei Muttern lebenden erwachsenen Männer, in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt habe, klagte der Soziologe Franco Ferrarotti: "Die italienischen Männer waren als Latin Lover berühmt, jetzt ist der Lack ab, und sie haben ihr Selbstvertrauen verloren." Ha, war die erste Reaktion, geschieht ihnen recht! Lange genug waren Italiener vom Schlage Marcello Mastroiannis im hiesigen Geschlechterkampf eine fürchterliche Waffe der Frau, deren Wirksamkeit darauf beruhte, dass man im Vergleich zu den Italo-Charmebolzen ziemlich alt aussah. Aber damit ist es ja wohl vorbei.

Leider hat die Macho-Studie einen Pferdefuß. Es ist nämlich so, dass die Italiener bei "typisch männlichen Eigenschaften" wie Risikobereitschaft, Aggression, Gefühlskontrolle und Verachtung von Schwulen hoffnungslos gegenüber den Amerikanern in Rückstand gerieten, aber ausgerechnet in der Kategorie überlegen waren, bei der es um das Umgarnen von Frauen ging. In diesem Zusammenhang muss man erwähnen, dass sich jüngst der so genannte Cavaliere Berlusconi damit brüstete, die finnische Staatspräsidentin Tarja Halonen mit "einer Serie zarter Angebote" überredet zu haben.

Zu welchem Zweck? Um die EU-Lebensmittelbehörde nach Parma zu holen. Ungeachtet der Frage, welche zarten Angebote der Cavaliere auf Lager hatte, zeigt der Vorgang, wie schlimm es um den Typus des Latin Lover bestellt ist. Es ging nicht um die Frau, sondern um eine Lebensmittelbehörde. Ob die Verführungskünste der Test-Italiener von Missouri auf ähnlichem Grunde fußten, geht aus der Studie nicht hervor. Jedenfalls gibt der wirkliche Latin Lover seiner Angebeteten das Gefühl, die einzige Frau auf der Welt zu sein. Dass es häufig die Mutter ist, muss man als allgemeine Verfallserscheinung des Mannes hinnehmen.

© SZ vom 23.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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