Das Streiflicht:Bayerisch-sachsen-anhaltinische Partnerschaft

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Der Funtensee in Berchtesgaden und Holzdorf in Sachsen-Anhalt haben nicht viel gemein. Was diese beiden Orte zur Zeit allerdings verbindet, sind die Temperaturen - und die Jagd nach dem Hitzerekord.

Der Funtensee liegt im Nationalpark Berchtesgaden auf einer Höhe von 1601 Metern, misst 3,5 Hektar, ist unbewohnt und gibt, wo sein Überwasser unterirdisch abfließt, ein gurgelndes Geräusch von sich.

Nicht nur am Funtensee, sondern auch am Wandlitzsee in Brandenburg hatten die Menschen Spaß an den Temperaturen. Da sind Hitzerekorde doch eigentlich egal, oder? (Foto: Foto: ddp)

Ganz anders Holzdorf in Sachsen-Anhalt. Es liegt an der Schwarzen Elster, enthält sich gurgelnder Geräusche, hat 1500 Einwohner und in seiner Umgebung Orte wie Meuselko, Dixförga sowie Groß- und Kleinkorga.

Was Holzdorf und den Funtensee dieser Tage innig vereint, ja fast zu einer sachsen-anhaltinisch-bayerischen Patenschaft animieren könnte, sind ihre außerordentlichen Temperaturen.

Der Funtensee ist in der Hinsicht gewissermaßen ein alter Haudegen: Kaum ein winterlicher TV-Wetterbericht, in dem Kachelmann & Co. nicht mit Tremolo in der Stimme melden, dass es dort wieder mal 45,3 Grad minus habe.

Dafür war es in Holzdorf mit 37,7 Grad plus, nach anderen Quellen sogar 38,6 Grad, jetzt am heißesten.

Die Sache ist, wie so oft bei Rekorden, nicht unumstritten, und tatsächlich erheben nun auch Berlin-Kaniswall und Coschen in Brandenburg Anspruch auf besagte 38,6 Grad. In Holzdorf, so wird argumentiert, heize sich die Umgebung der Messstation immer besonders stark auf, eine Einrede, die ganz danach klingt, als hätte Holzdorf im Rennen um den Hitzepol zusätzlich ein paar Heizstrahler aufgestellt, also irgendwie gedopt, und müsste disqualifiziert werden.

Zurzeit möchte man zwar für niemanden, auch nicht für Holzdorf, seine Hand ins Feuer legen, aber man sollte den Ort auch nicht ohne Not verurteilen. Schließlich nimmt er's nur, wie "das Quecksilber" es fügt und schickt, und steht insofern in einer Reihe mit beispielsweise Bautzen-Kubschütz, das eine nächtliche "Tiefst"-Temperatur von 26,1 Grad ins Feld führen kann, oder mit der Bedienung Yvonne K. aus Dortmund, unter deren Hemd am Montag "geschätzte 60 Grad" herrschten, wie sie der Deutschen Presse-Agentur meldete.

Yvonne K. tat das "schmunzelnd", in einer Haltung also, die der sommerlichen Eruption einzig angemessen ist. Vorbildhaft benahm sich in dieser Hinsicht die Dortmunder Sparkasse, bei der "Hundstage" ausgerufen wurden. Entsprechend lockerte man auch die Kleiderordnung, wobei die Männer freilich weiterhin Krawatten tragen mussten, da mochte es unter ihren Hemden zugehen, wie es wollte.

Seltsamerweise verlor ausgerechnet ein Mann vom Deutschen Wetterdienst die Contenance und sagte, so eine Hitze - er nannte sie "diese Dimensionen" - gehöre "nach Andalusien, Kalabrien oder an die türkische Riviera". Bei allem Verständnis für eine Sommermüdigkeit, von der keiner frei ist: Andalusien, Kalabrien und die türkische Riviera bedanken sich schön, aber diese Dimensionen haben sie bereits. Der einzige Ort für sie wäre der Funtensee, doch gerade da kann Kachelmann keine Erwärmung brauchen.

© SZ vom 18.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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