Das rebellische Kloster:Allein unter Frauen

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In einem apulischen Kloster kam es unter drei Nonnen zu derart schlimmen Auseinandersetzungen, dass eine von ihnen nach Handgreiflichkeiten in der Notaufnahme landete. Nun ließ der Erzbischof das Kloster schließen.

Stefan Ulrich

Drei Verstorbene in einem Raum, den sie nie verlassen können, drei Menschen, die sich quälen und das Dasein zur Hölle machen - Jean Paul Sartre hat diese Konstellation in seinem Stück "Geschlossene Gesellschaft" durchgespielt. Sein Fazit: Die Hölle muss kein Werk von Teufeln sein, die Hölle, das sind die Anderen.

Dem Schauspiel wird von Kritikern vorgehalten, es sei eine "philosophische Kopfgeburt". In einem apulischen Kloster aber läuft derzeit ein Drama ab, das Sartres Werk plausibel macht. Drei Nonnen in Klausur, drei alte Frauen in dem Kloster Santa Chiara des Hafenstädtchens Bisceglie, drei Menschen, die miteinander leben müssen, ohne miteinander auszukommen - das sind die Bedingungen eines Beziehungsdramas, das in diesem Fall das Leben schreibt.

Begonnen hat alles vor einem halben Jahrhundert. Damals gründeten Klarissen in Bisceglie ihr Kloster der Heiligen Klara. In der Nachfolge der Gefährtin des Franz von Assisi wollten sie ein abgeschiedenes Leben führen und sich dem Gebet widmen.

Die Schwestern richteten ein altes Klostergebäude und eine Kirche her und bauten einen Kindergarten auf. Doch solchen Erfolgen zum Trotz tat sich auch das Kloster der Heiligen Klara schwer, Nachwuchs zu finden. Im Jahr 2004 starben die Oberin und eine weitere Schwester. Übrig blieben drei Nonnen. Liliana Martina, die zu den Gründerinnen des Klosters zählt, wurde neue Äbtissin.

"Es wurde wirklich gefährlich"

Seitdem hing der Haussegen schief. Offenbar wurden sich die drei Schwestern über die Führungsfrage nie einig. Riccardo Losappio, der Leiter der Pressestelle der zuständigen Erzdiözese Trani-Barletta-Bisceglie, führt den Zwist auf "charakterliche Unverträglichkeit" und "Altersstarre" der Nonnen zurück.

Wahrscheinlich seien sie gegen Ende ihres Lebens frustriert, weil ihr Kloster auszusterben drohte. "Sie sahen ihre Welt zusammenstürzen." Wie auch immer - das Zusammenleben artete im Verlauf dieses Jahres in einen Konflikt sartrescher Dramatik aus. "Der Streit war an einem Punkt angelangt, wo es zu Handgreiflichkeiten kam und die körperliche Unversehrtheit der Schwestern auf dem Spiel stand", sagte Losappio der Süddeutschen Zeitung.

"Es wurde wirklich gefährlich." Wo verletzter Stolz ins Spiel komme, werde eine Situation unkontrollierbar. Leute aus der Gegend behaupten sogar, eine der drei Nonnen sei im Juli bei einem Gerangel so verletzt worden, dass sie in einer Notaufnahme behandelt werden musste.

Erzbischof Giovan Battista Pichierri, der die Gerichtsbarkeit über das Kloster ausübt, habe alles versucht, Frieden zu schaffen, versichert sein Sprecher. So forderte der Bischof in einem Brief an die 80Jahre alte Äbtissin eindringlich zur "Brüderlichkeit und Versöhnung" auf. Vergeblich.

Angesichts des Dauerstreits und des fehlenden Nachwuchses traf er eine harte Entscheidung. Die verdutzten Bürger erfuhren davon, als eines Tages am Kloster ein Schild mit dem Hinweis hing, hier werde keine Andacht mehr gehalten. Nun begannen die Gläubigen zu rätseln, welche Mysterien da dahinter steckten.

Brief an den Papst

"Es gibt keine Geheimnisse", versichert Losappio. Seine Diözese gab bekannt, "nach wiederholten Akten des Ungehorsams der Äbtissin gegenüber dem Erzbischof" sei die Kirchengemeinde im Kloster zerbrochen. Zwei der Nonnen zogen auf Weisung des Bischofs in ein anderes Kloster. Die Dritte im Bunde, die Äbtissin Liliana Martina, blieb. Sie kündigte "passiven Widerstand" an. "Ich gehe erst weg, wenn der Herrgott es will." Zugleich deutete sie an, die Erzdiözese habe es doch nur auf die Klosteranlage und den Kindergarten abgesehen.

Der Streit der Nonnen setzt sich nun zwischen Äbtissin und Bischof fort. Das Bistum hat die Akten an die Kurie in Rom geschickt, mit der Bitte, über das rebellische Ein-Frauen-Kloster zu entscheiden. Der Vatikan könnte es schließen - oder mit neuen Schwestern beleben. Mutter Liliana Martina aber will nicht still auf eine Entscheidung warten.

Sie hat jetzt einen Brief an Papst Benedikt XVI. geschickt. Über den Inhalt schweigt sie. Bei Anrufen am Montag im Kloster wurde der Hörer abgenommen - aber nicht geantwortet. Im Hintergrund waren Stimmen zu vernehmen. Wie zu erfahren ist, erhält die aufsässige Äbtissin von einigen Bürgern Hilfe. Bei ihrem Widerstand mag sie sich sogar auf die Heilige Klara berufen. Die Ordensgründerin aus Assisi widersetzte sich einst dem massiven Druck ihrer Familie. Doch damit dürften die Parallelen enden: Die Heilige Klara galt als äußerst sanft.

© SZ vom 2.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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