Computer:Wisch und weg

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Hersteller von Computerchips suchen nach neuen Techniken, ihre Fabriken sauber zu halten. Der Sauberkeitsfimmel hat wirtschaftliche Gründe.

Von Frank Grünberg

Nur 65 Nanometer breit werden die stromführenden Kanäle in den Mikrochips der nächsten Generation sein. Das entspricht etwa dem Tausendstel des Durchmessers eines menschlichen Haares. Wer kann sich das wirklich noch vorstellen? Je kleinteiliger die Chips werden, desto anfälliger sind sie gegenüber äußeren Einflüssen.

So genannte Reinraumtechniker bauen daher aufwändige Klima- und Filteranlagen, um zu verhindern, dass Staub in die Produktionszonen eindringen und die Chips zerstören kann. Das kostet viel Strom: Allein das neue Chipwerk von Advanced Micro Devices (AMD) in Dresden, das im kommenden Jahr die Produktion aufnehmen soll, verbraucht im vollen Betrieb soviel Energie wie eine Kleinstadt mit 30000 Einwohnern.

Neben den Fabrikhallen entsteht daher ein eigenes 24 Megawatt-Kraftwerk. Einen Großteil seiner Leistung verschlingt die Reinraumtechnik. Denn in den geschlossenen Boxen, in denen die Chips mehrere hundert Prozessschritte bis zu ihrer Vollendung durchlaufen, herrscht "Reinraumklasse1".

Sauberkeitsfimmel aus wirtschaftlichen Gründen

Das bedeutet, dass in einem luftgefüllten Würfel mit 30 Zentimetern Kantenlänge nur noch ein einziges, winziges Teilchen schweben darf. Zum Vergleich: Ein Riesenbau wie das Berliner Olympiastadion entspräche der Reinraumklasse1, wenn sich im gesamten Raum von den Katakomben bis zum Dach gerade mal ein Schwebteilchen von der Größe eines Sandkorns finden würde. Sauberer geht es fast nicht. Der Sauberkeitsfimmel hat wirtschaftliche Gründe: Schon kleinste Reinheitsschwankungen entscheiden darüber, ob die Produktion profitabel läuft oder nicht. Die Ausschussquote einer Fabrik gilt in der Branche daher als absolutes Betriebsgeheimnis.

Beim Staub spielt den Reinraumtechnikern glücklicherweise die Physik in die Hand. Das Filtern von Festkörpern gilt heute als gängige Kunst, da die Anforderungen an die Bauteile nicht ins Endlose steigen, wenn die Partikel kleiner werden. Der Grund: Während große Staubteile mechanisch im Filtervlies zurückgehalten werden, entwickeln winzige Festkörper so genannte Van-der-Waals-Kräfte. Diese sorgen beispielsweise dafür, dass Kreidestaub an der Tafel haftet und nicht gleich auf die Erde rieselt. Diesen Effekt nutzen auch die Staubfilter.

Doch nun droht neue Gefahr durch gasförmige Kontaminationen wie Ammoniak, Schwefel- oder Kohlenwasserstoffe. Sowohl in der Produktion von Mikrochips als auch in der Fertigung von Festplatten beobachten Fachleute, dass diese molekularen Verunreinigungen zunehmen. "Diese Art von Schädigungen sind an sich nicht neu," sagt Martin Schottler, Reinraumexperte beim Unternehmen M+W Zander in Stuttgart, "sie sind in den letzten Jahren aufgrund der abnehmenden Strukturbreiten aber in den Vordergrund gerückt."

Schadstoffe lauern überall

Die Suche nach den Quellen gleicht oft echter Detektivarbeit. Denn die Schadstoffe lauern überall. Gibt es etwa einen nahgelegenen Mastbetrieb, von dem ammoniakhaltige Gülleschwaden zur Chipfabrik hinüber wehen? Oder setzt ein großer Dieselgenerator, der auf einer be-nachbarten Baustelle knattert, in großen Mengen Schwefel frei?

Trojanische Pferde

Weil herkömmliche Filter diese Gase nicht zurückhalten, dringen sie ungehindert durch Lüftungsschlitze und Klimaanlage an die Oberfläche halbfertiger Bauelemente vor und verwandeln sich dort durch chemische Reaktion in einen Feststoff, der Kontakte zerstört oder ins Innere des Mikrochips wandert. In beiden Fällen steht die Funktionsfähigkeit des Chips auf dem Spiel.

Vielleicht aber liegt die Ursache auch anderswo. Kohlenwasserstoffe beispielsweise schleichen sich gerne in Reinräume ein, wie einst die Griechen nach Troja. Die Trojanischen Pferde sind Lösungsmittel, die versteckt in Dichtstoffen, Wischtüchern und Kleidungsstücken von Reinraumbediensteten in die Hochsauberkeitszone gebracht werden, wo sie anschließend in Ruhe ausgasen und ihr Unwesen treiben können.

Die Verunsicherung bei Zulieferern und Herstellern ist groß. Selbst die Messgeräte stehen mittlerweile im Verdacht, die Kontamination, die sie eigentlich nur ermitteln sollen, in die Höhe zu treiben. Auf Pumpen und Heizschleifen soll daher in Zukunft ebenso verzichtet werden wie auf PVC oder Weichmacher in der Ummantelung der wenigen Kabel, durch die Messdaten nach außen gelangen. Die Messgerätehersteller spielen damit eine wichtige Vorreiterrolle, wie Lothar Gail, Vorsitzender des Fachausschusses "Reinraumtechnik" beim Verein Deutscher Ingenieure, weiß. Denn: "Die gesamte Branche muss in Zukunft umlernen."

© SZ vom 7.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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