China:Tödliches Versteckspiel

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"Duo maomao" ist Chinas neuestes Modewort. Der Begriff klingt niedlich, der Grund für seine Popularität ist es nicht. Der ist ernst, todernst sogar.

Henrik Bork

"Duo maomao" ist Chinas neuester Modebegriff. Auf der Google-Liste der meistgesuchten Begriffe im Internet stand es in China kürzlich auf Platz eins. Duo maomao heißt "Versteck dich, Kätzchen!" Es ist ein Kinderspiel.

Demonstrativ diszipliniert: Chinesische Polizei am Rande der olympischen Spiele in Peking. (Foto: Foto: dpa)

"Duo maomao", rufen die Kleinen in China und halten sich die Augen zu, während sich die anderen verstecken. Jetzt aber sind es Erwachsene, die darüber reden. "Heute schon Verstecken gespielt?" schreiben sich die Leute per Email, oder sie schicken sich die Frage als Kurznachricht aufs Handy.

Der Begriff klingt niedlich, der Grund für seine Popularität ist es nicht. Der ist ernst, todernst sogar. Die Geschichte, die dahintersteckt, beginnt am 30. Januar. Der 24-jährige Chinese Li Qiaoming aus dem Nest Yuxi Beicheng in der Südwestprovinz Yunnan wird im Wald erwischt, offenbar als er Holz stehlen will.

Die Polizei des Landkreises Jinniang nimmt ihn fest und steckt ihn in eine Untersuchungszelle. Am 8. Februar bringen die Polizisten den jungen Mann ins Krankenhaus. Am 12. Februar verstirbt er offiziellen Angaben zufolge an einem "schweren Schädel-Hirn-Trauma".

Die örtliche Polizei behauptet später, Li Qiaoming habe mit seinen Zellengenossen "duo maomao" gespielt. Mit verbundenen Augen sei er mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen, sagen die Beamten. So berichtete es die Tageszeitung Yunnan Xinxibao am 13. Februar. Kurz darauf kursierten erste sarkastische Kommentare im Internet. "Wenn dir dein Leben lieb ist, spiel' nicht duo maomao", lautet einer davon.

Die Brutalität der chinesischen Polizei ist in China gut bekannt. Viele Chinesen vermuten, die Polizisten hätten Li Qiaoming, wie soviele arme Häftlinge vor ihm, beim Verhör halb totgeschlagen. Im Krankenhaus sei er dann an den Folgen der Folter verstorben, glauben einige Leute, die das allerdings nicht explizit und schon gar nicht öffentlich kundtun würden.

Direkte Kritik an der kommunistischen Führung und den Methoden ihres Polizeistaates ist in China noch immer gefährlich. Doch zynische Kommentare, anonym ins Internet gestellt, sind nicht so leicht zu ahnden. "Duo maomao, ein sehr lustiges Spiel, aber an bestimmten Orten eher gefährlich (im Gefängnis, im Umerziehungslager und in Untersuchungshaft)", ist da etwa zu lesen.

Erpresste Geständnisse

Erst im vergangenen November hat das Komitee gegen Folter der Vereinten Nationen China scharf für die "routinemäßige und weitverbreitete Anwendung von Folter und Misshandlung von Verdächtigen in Polizeigewahrsam" kritisiert. Regelmäßig werden Geständnisse erpresst. Chinas Vize-Generalstaatsanwalt Wang Zhenchuan hatte vor zwei Jahren öffentlich eingeräumt, dass "beinahe jedes Fehlurteil der vergangenen Jahre mit illegalen Verhören" zustande gekommen sei.

Wie so etwas konkret aussieht, hat die Menschenrechtsorganisation "Human Rights in China" (HRIC) am Fall des politischen Gefangenen Guo Feixiong dokumentiert. Er saß ein, weil er andere politisch Verfolgte vor Gericht verteidigen wollte. Während seiner 15-monatigen Untersuchungshaft wurde er unter anderem "an Armen und Beinen an der Decke aufgehängt, während die Polizei mit einem Hochspannungs-Elektrostab seine Genitalien unter Strom setzte", berichtet die Organisation HRIC.

© SZ vom 20.02.2009/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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