China:Stechschritt ins All

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Seit vier Jahren bereiten die Chinesen den bemannten Flug ins All Schritt für Schritt vor. Nach einem Affen, einem Hund, einer Katze und einer Puppe will Peking nun einen "Taikonauten" in den Weltraum schießen.

(SZ vom 15.10.2003) - Mit Hochdruck haben die Raumfahrttechniker Chinas in den vergangenen Wochen und Monaten ihren ersten bemannten Raumflug vorbereitet. Bis zum letzten Moment vor dem angekündigten Starttermin hat die chinesische Weltraumbehörde CNSA (China National Space Administration) den Namen des ersten Taikonauten geheim gehalten, wie die Raumfahrer der Volksrepublik heißen.

Eine Pekinger Tageszeitung nannte am gestrigen Dienstag Yang Liwei als ersten Kandidaten sowie Zhai Zhigang und Nie Haisheng an zweiter und dritter Stelle. Insgesamt soll das Team 14 Taikonauten umfassen - allesamt erfahrene Kampfpiloten von Beruf.

Bereits im August war die Trägerrakete Langer Marsch 2F in Jiuquan am Südrand der Wüste Gobi angekommen. In einem 82 Meter hohen Montagegebäude packten Techniker Anfang Oktober die 7,8 Tonnen schwere und fast neun Meter lange Raumkapsel Shenzhou 5 (deutsch: Göttliches Schiff) auf die Rakete.

Anschließend transportierte ein Schienenfahrzeug das 62 Meter hohe Geschoss mitsamt dem Startturm zur 1,5 Kilometer entfernten Plattform. Auf ähnliche Weise geht die Europäische Weltraumorganisation Esa beim Start ihrer Ariane 5-Raketen vor.

Der Flug dürfte voraussichtlich ähnlich verlaufen wie beim ersten Shenzhou-Raumschiff vor vier Jahren. Geplant ist, dass die Rakete das "Göttliche Schiff" zunächst in eine elliptische Bahn mit einem Abstand zwischen 200 und 340 Kilometern zur Erde bringt.

Einige Stunden später bringt dann das Bordtriebwerk die Shenzhou 5 in eine 340 Kilometer hohe Kreisbahn. Bevor die Triebwerke erneut zünden, um das Landemanöver einzuleiten, trennt sich die Landekapsel vom Orbitalmodul. Es bleibt in der Erdumlaufbahn und wird ein halbes Jahr später in der Atmosphäre verglühen.

Rund 21 Stunden nach dem Start bremsen die Triebwerke die Landekapsel, die über Afrika in die Atmosphäre eintaucht. In dieser kritischen Phase soll eine in Namibia errichtete Bodenstation den Kontakt zum Raumschiff halten.

Die Landung als Höhepunkt

In 30 Kilometer Höhe entfaltet sich schließlich der Hauptfallschirm, an dem die Kapsel in der Inneren Mongolei zu Boden schwebt.

Die Landung soll den vorläufigen Höhepunkt des Projekts 921 bilden, mit dem China bereits Ende der achtziger Jahre den Einstieg in die bemannte Raumfahrt begann. Dabei profitierte das Land ganz erheblich von der Erfahrung Russlands.

Nicht zufällig sieht die Shenzhou-Kapsel der sowjetischen Sojus-Kapsel täuschend ähnlich. Tatsächlich verkaufte Russland einen Großteil seiner Technik an China. Laut der Nachrichtenagentur Itar-Tass soll ein komplettes Sojus-Raumschiff mitsamt Lebenserhaltungssystem und Andockvorrichtungen übernommen worden sein. Außerdem haben seit 1996 im Sternenstädtchen bei Moskau immer wieder angehende Taikonauten trainiert.

Allerdings haben chinesische Ingenieure die Raumkapsel offenbar in einigen Punkten weiterentwickelt. So liefern die vier Solarpaneele mit 1,3 Kilowatt dreimal so viel Leistung wie die der Sojus. Außerdem ist Shenzhou größer als das russische Drei-Mann-Pendant und soll bis zu vier Raumfahrern Platz bieten.

Seit vier Jahren bereiten die Chinesen den bemannten Flug Schritt für Schritt vor. Im November 1999 startete die erste Kapsel Shenzhou 1. Damit wurden die seinerzeit neue Trägerrakete Langer Marsch 2 und das Landemanöver ausprobiert. Shenzhou 2 zündete dann im Januar 2001 mehrmals die Bordtriebwerke im Orbit, um die Umlaufbahn zu ändern. Außerdem flogen ein Affe, ein Hund und eine Katze mit.

Shenzhou 3 hatte dann im März 2002 eine mit Sensoren bestückte Puppe an Bord, mit der sich das Lebenserhaltungssystem prüfen ließ. Und mit Shenzhou 4 testeten die Ingenieure schließlich das Zusammenspiel aller Systeme, die für einen bemannten Flug nötig sind.

Wenn der erste bemannte Raumflug nun mit Shenzhou 5 gelingt, wird China wohl auch die nächsten Schritte tun. Denkbar wäre ein Docking-Unternehmen mit einem Orbital-Modul, das nach einem Shenzhou-Flug in der Erdumlaufbahn bleibt.

Anschließend könnte ein Raumspaziergang und schließlich der Bau einer kleinen Raumstation erfolgen. Hierfür sprechen auch Satellitenbilder aus jüngster Zeit. Sie zeigen, dass 600 Meter vom aktuellen Startplatz entfernt eine zweite Plattform errichtet wird. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass künftig zwei Shenzhou-Raumschiffe gleichzeitig ins All gebracht werden sollen, um im Orbit aneinander anzudocken.

© Von Thomas Bührke - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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