China nach dem Erdbeben:Eine hochpolitische Hilfsaktion

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Erstmals hat Peking ausländische Retter ins Land gelassen, sogar japanische Spezialisten suchen nach Opfern. Doch bislang konnten sie nur Leichen bergen.

Henrik Bork

Überlebende haben sie keine gefunden, nur 32 Leichen. "Wir haben unser Bestes getan", sagt Koji Fujiya und lächelt tapfer. Es ist eine bittere Bilanz für das japanische Rettungsteam. Es war unter großen Erwartungen nach China geeilt, als erstes ausländisches Rettungsteam, das die dortige Führung jemals ins Land gelassen hat.

Rettungskräfte in Beichuan während der Schweigeminute am Montag (Foto: Foto: AFP)

Doch schon am Freitagabend packten die 61 müden Japaner neben den Trümmern von Beichuan ihre Stethoskope, Spezialzangen und restlichen Wasserflaschen auf einen bereitstehenden Lastwagen.

Sie hatten beschlossen, die Suche fürs Erste zu beenden. Die Angst vor einem Dammbruch in der Region und ausbleibende Genehmigungen aus Peking für weitere Einsatzorte hatten die Helfer frustriert. Ob es irgendwo anders weitergeht, wissen sie noch nicht.

Der Einsatz war von Anfang an eine hochpolitische Angelegenheit. Japans Ministerpräsident Yasuo Fukuda hatte die Hilfe seines Landes gleich am Montagabend vergangener Woche angeboten, nur Stunden nach dem schweren Erdbeben in Sichuan. Doch Peking hatte noch nie ausländische Retter einreisen lassen, wohl um das Gesicht zu wahren. Die Spitzenkader fürchteten um das mühsam gepflegte Image einer Partei und einer Volksbefreiungsarmee, die sich allein um ihre Untertanen kümmern kann.

"Aus Besorgnis um die Opfer"

Daher war es eine bedeutende politische Geste, als Peking die Japaner am vergangenen Donnerstag einlud. China habe damit gleichzeitig seine "Besorgnis um die Opfer und seinen Wunsch nach besserer Kommunikation mit Japan" zum Ausdruck bringen wollen, sagt der Japanexperte Bai Zhili von der Peking-Universität. Ohne den jüngsten, erfolgreichen Japanbesuch von Staats- und Parteichef Hu Jintao wäre diese Annäherung undenkbar gewesen.

China hat diesmal auch andere Länder helfen lassen, die internationale Katastrophenhilfe jedoch gleichzeitig eindeutig politisiert. Die meisten Länder durften nur Hilfsgüter senden, während Retter oder technisches Personal abgewiesen wurden, wie das aus Deutschland. In gewöhnlich gut informierten Kreisen in Peking heißt es dazu, dies sei bedauerlich und politisch motiviert, habe also mit den Besuchen des Dalai Lama in Deutschland zu tun.

Am Sonntag durften zwei US-amerikanische Militärflugzeuge mit Stromgeneratoren, Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern in Sichuan landen. Es war die erste Katastrophenhilfe ausländischer Militärs in China seit Beginn der Krise. Nur wer derzeit besonders gute Beziehungen zu Peking hat, durfte Personal entsenden: Außer Japan waren das Singapur, Russland, Südkorea, Taiwan und die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong.

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Tödliches Zögern

Doch die Einladung an die Retter aus Japan - und die Tatsache, dass sie als Erste kommen durften - sticht angesichts der Kriegsvergangenheit sowie der jüngsten Spannungen zwischen beiden Ländern besonders hervor. Vor allem Japans Weigerung, sich angemessen für seine Kriegsverbrechen in China zu entschuldigen, hatte lange die Beziehungen belastet.

Leider zögerte China auch diesmal so lange, bis Japans Retter zu spät kamen. Am 12. Mai kam das Angebot aus Tokio, erst am 15. Mai um elf Uhr morgens Ortszeit bekamen Helfer Koji Fujiya und seine Männer die Zusage aus Peking, schon um 18 Uhr saßen die Ersten von ihnen im Flugzeug, reisten über Peking ins Erdbebengebiet und begannen gegen acht Uhr morgens am 16. Mai mit der Suche nach Überlebenden.

"Für Schlafen war keine Zeit", sagt Fujiya. Doch Experten war klar, dass zu dem Zeitpunkt, dreieinhalb Tage nach dem Beben, für die große Mehrzahl der unter den Ruinen Begrabenen jede Hilfe zu spät kam. Das kritische Zeitfenster wird allgemein mit drei Tagen seit dem Beben angegeben. Danach sind auch die Zähesten unter den Eingeklemmten meist verdurstet.

"An unserem ersten Einsatzort in Qinchuan fanden wir eine Mutter und ihr Kind, leider tot", sagt Fujiya. Die Leichen einer 28-Jährigen und ihrer neugeborenen Tochter, die unter den Betonbrocken eines zerstörten Krankenhauswohnheims gelegen hatten. "Ich kann nicht anders, als mich zu fragen, was passiert wäre, wenn wir am zweiten Tag hier gewesen wären", hatte Takashi Koizumi, der das Hilfsteam als Diplomat begleitet, an jenem Tag gesagt.

Das japanische Team aus Spezialisten von Polizei, Feuerwehr und Küstenwache wurde daraufhin nach Beichuan verlegt, in eines der am schlimmsten betroffenen Bergdörfer, etwa 170 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Chengdu. Hier sind während des Bebens Felsbrocken in Lastwagengröße von den Berghängen in ein enges Tag gerollt und haben eine Steinwüste hinterlassen.

Am Montag stiegen bereits weiße Rauchfahnen und der süßliche Geruch von Leichen aus den Trümmern. In der fast komplett eingestürzten Mittelschule von Beichuan sind 1200 Kinder und Lehrer verschüttet worden. Hier fanden und bargen die Japaner 30 weitere Leichen.

Trotz dieses für ein Rettungsteam enttäuschenden Ausgangs hat das Team in China landesweit einen positiven Eindruck gemacht. Das Fernsehen zeigte, wie sich die Japaner respektvoll in zwei Reihen aufstellten und vor den Opfern verbeugten.

"Das war wirklich professionell", sagt sogar Tong Zeng, ein bekannter anti-japanischer Aktivist in Peking. Und auch ihr Einsatz wurde gelobt. "Die Japaner so schwitzend um die Rettung von Chinesen kämpfen zu sehen, hat den bilateralen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern wirklich weitergeholfen", sagt Professor Bai Zhili.

© SZ vom 20.5.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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