Chauffeur:Unterwegs mit Michael, Tina, Liza, Bruce, Paul und Frankie

Lesezeit: 14 min

George Kerwinski hat jahrelang Superstars auf ihren Tourneen durch Europa gefahren. Allein mit Tina Turner war er über 90.000 Kilometer zusammen. Der kann Geschichten erzählen!

Aufgezeichnet von Philipp Oehmke.

Michael Jackson, Berlin 1988

Gerade haben amerikanische Pfadfinder Micheal Jackson (rechts) erkannt. In der Mitte steht sein Chauffeur George Kerwinski. (Foto: Foto: privat)

Das Erste, was mich an Michael Jackson überraschte, war sein Händedruck. Der Typ griff zu wie ein Holzfäller! Bei unserer ersten Begegnung in Michaels Privatjet am Flughafen Tegel holte ich ihn zu seiner "Bad"-Tour ab, brachte ihn zum "Hotel Interconti", und aus dem Auto sah er, dass das Hotel gleich am Zoo liegt.

Sofort sagte Michael, dass er da reinwolle. Ich bekam fast einen Herzinfarkt. Es war Sonntagnachmittag, der Zoo voll besucht und vor dem Hotel schrien schon Hunderte von Fans. Doch Jackson meinte es ernst. Also treffen wir uns auf Jacksons eigenem Stockwerk im Hotel, sein Sicherheitschef Bill wartet schon. Neben Bill steht ein Schwarzer mit furchtbar schiefen Zähnen, den ich nicht kenne. Bloß von Michael ist nichts zu sehen. Ich sage: "Wo ist Michael?"

"Der steht neben dir", sagt Bill, und ich begreife, dass der Schwarze mit den schiefen Zähnen Michael Jackson in Verkleidung ist. Auf dem Kopf trägt er eine Afroperücke, im Gesicht buschige Koteletten, einen Schurrbart und im Mund dieses Plastikgebiss.

Im Zoo angekommen, möchte Bill sogar noch einen Rollstuhl ausleihen, um sich reinzusetzen, Michael sollte schieben: Diese Tarnung hätte schon öfter perfekt funktioniert. Doch leider hatte die Sanitätsstation keinen Rollstuhl.

Nach zwei Stunden - wir kommen gerade aus dem Affenhaus - stoßen wir auf eine Gruppe amerikanischer Pfadfinder, Jungs, nicht älter als zehn Jahre. Plötzlich wirft einer der Jungs den Arm in die Höhe und schreit: "Michael Jackson!"

Das war unheimlich, denn Michael war wirklich nicht zu erkennen. Bill, der Sicherheitschef, nimmt seine Baseballmütze ab und stülpt sie Michael über die Afroperücke, doch es war zu spät. Michael geht auf die Jungs zu und unterhält sich mit ihnen. Erstaunlicherweise passierte es später noch häufiger, dass Michael trotz aufwändigster Tarnung von Kindern erkannt wurde.

Nachdem Michael aufgeflogen war, konnte ich ihn und Bill überzeugen, den Besuch abzubrechen. Ich renne also zurück ins Hotel, hole den BMW aus der Tiefgarage und sammle die beiden an einem Seitenausgang auf. Bill drückt Michael flach auf die Rückbank. Ich gebe Gas. Plötzlich meldet sich Michael von hinten: "George, was ist denn das für ein Auto?" - "Na, ein BMW." Darauf Michael: "Ein BM-was?"

Tina Turner, Köln-München 1986

Kerwinski (vorne) und Tina Turner (links) sind allein bei einer Tour 90.000 Kilometer zusammen gefahren. Hier starten sie vom "Hotel Gravenbruch" in Frankfurt. (Foto: Foto: privat)

Eigentlich sollte ich nur für einen Nachmittag als Chauffeur einspringen, als Tina Turner in München eine Woche für ihre Tournee probte. Normalerweise wurde Tina von einem Münchner Polizisten gefahren, Hansi, der sich seinen Jahresurlaub nahm und ein bisschen Extrageld verdiente, obwohl er kaum Englisch sprach. Eines Nachmittags musste Tina zum Ohrenarzt, Hansi hatte keine Zeit, und der Tourneeveranstalter rief mich an.

Ich fahre also Tina vom "Hilton" in die Brienner Straße und wir unterhalten uns dabei ganz locker, vor allem über Musik. Ich erzähle ihr, dass ich sie schon mal gesehen hatte, vor zehn Jahren, Mitte der Siebziger, als sie mit ihrem damaligen Mann Ike fünf Konzerte im Circus Krone gab.

Ike unterhielt damals ja diese legendäre Suite im Münchner "Hilton". Die hatte er nur für Partys gemietet, und sie war Tag und Nacht für Freunde geöffnet, wie eine Bar. Ich war auch ein paarmal dort, wilde Nächte waren das. Das erzählte ich Tina, und die Geschichte schuf offenbar Vertrauen zwischen uns. Am nächsten Tag rief mich ihre Assistentin an, Tina hätte mich so sympathisch gefunden, sie wolle, dass ich sie die ganze Europa-Tour als Fahrer begleite.

Für Tina war der Fahrer sehr wichtig, denn sie flog ja nie - wegen ihrer Probleme mit den Nebenhöhlen. Am liebsten sprang sie nach dem Konzert in mein Auto, zog sich auf der Rückbank um und stopfte ihre Bühnenklamotten in einen Wäschesack. Und dann ging es sieben oder acht Stunden durch die Nacht, bis wir morgens in der Dämmerung in irgendeinem Hotel ankamen. Auf dieser Tournee sind Tina und ich zigtausend Kilometer zusammen gefahren.

An eine Nacht erinnere ich mich besonders: Da hat Tina in Köln gespielt, ausverkauftes Stadion, das war zu der Zeit, als Tina auch in Köln gelebt hat bei ihrem Freund Erwin Bach in einer Dreizimmerwohnung.

Wie immer fahre ich also beim vorletzten Song rückwärts mit dem Mercedes an die Bühne heran, Tina kommt nach dem letzten Stück ins Auto und zusammen mit Erwin fahren wir aus dem Stadion. Und während die Menschen im Stadion noch jubeln und klatschen, holen wir drei uns Pizza und nehmen sie mit in Erwins und Tinas Wohnung. Dort hat Tina uns noch einen Salat dazu gemacht, dann saßen wir in der Küche und haben Pizza-Dreiecke aus der Hand gegessen. Und im Stadion riefen die Fans immer noch nach ihr.

Während wir noch Pizza essen, sagt Tina: "Das nächste Konzert ist in München. Erwin ist die Strecke neulich in drei Stunden zwanzig Minuten gefahren. Ich bin mir sicher, du schaffst das schneller, George!" Das waren mehr als 600 Kilometer und Erwin besaß einen Porsche. Ich fuhr bei dieser Tour einen Mercedes 560 SEL, den Privatwagen von meinem Boss Marcel Avram, dem Chef von Mama Concerts. Wir fahren also gegen ein Uhr nachts los, Tina, Erwin, ein amerikanischer Bodyguard und ich.

Ich stelle den Tempomat auf 250 und Tina sitzt begeistert auf dem Rücksitz, steckt ihren Kopf zwischen den Vordersitze hindurch. Sie hat einen solchen Spaß, schüttelt ihre Haare so wild, dass ihr beinahe die Perücke runterfällt. Sie trug ja immer Perücke. Ich habe Tina nur ein paarmal im Hotel ohne gesehen, sie hat eigentlich leicht krauses, helles, kürzeres Haar, das sie zu einem Dutt hochsteckt.

Tina saß also hinter mir, schlief auch nicht, lachte stattdessen und das klang immer wie ein Grollen vor einem Erdbeben. Drei Stunden und 15 Minuten später kommen wir in München im "Hotel Palace" an. Ich war fünf Minuten schneller als Erwin. Natürlich konnte ich dann nicht schlafen. Man konzentriert sich so stark. Aber Tina war ganz stolz auf mich.

Liza Minnelli, Düsseldorf 1989

Bei Liza Minnelli war es ganz anders: Schneller als 140 zu fahren hat sie verboten. Also habe ich immer darauf gewartet, dass sie einschläft, um dann auf 170 oder 180 zu beschleunigen. Aber kaum war ich über den Strich bei 140, wachte sie automatisch auf und meckerte. Die hat das im Gespür gehabt. Ansonsten verstanden wir uns ganz gut in diesen drei Wochen durch Deutschland, unterhielten uns auf langen Nachtfahrten auch oft privat.

Der Ärger begann, als wir irgendwann mal an Tourplakaten vorbeifuhren. Lizas Musical Director, ein älterer Amerikaner namens Bill Lavorgna, der auch schon mit Sinatra gearbeitet hatte, fand seinen Namen nicht auf dem Plakat und regte sich furchtbar auf.

Also haben wir Überkleber anfertigen lassen mit seinem Namen drauf. Alles geregelt. Jetzt aber fing Lizas Pianist an, ein kleiner, blasser Mann, Gershwin-Experte aus New York: "Liza, warum ist Bill auf dem Plakat und ich nicht?" Jeden Tag lag er ihr damit in den Ohren. Dummerweise fuhr er auch bei uns im Auto mit. Der hat uns so genervt! Irgendwann, um des lieben Friedens willen, hieß es, er komme auch aufs Plakat.

Eines Abends, der Streit mit den Namen war gerade vergessen, stehen wir an einer Ampel kurz vor der Düsseldorfer Philipshalle. Vor der Halle hingen riesige Schilder. die Liza Minnelli mit Musical Director Bill Lavorgna ankündigten. Von dem Pianisten keine Rede.

Und prompt fängt der an: "Liza, warum ist mein Name nicht auf dem Schild?" Daraufhin verliert die Minnelli völlig die Nerven und beschimpft uns alle. Ich werde wütend, ziehe den Schlüssel aus dem Zündschloss, lasse den Wagen stehen und haue ab. Später sehe ich, wie Liza samt ihrer Entourage und Gepäck durch den strömenden Regen stiefelt. Und natürlich, als ich eine Stunde später in die Halle komme, ist der Teufel los. Alle rufen mir entgegen: "Liza singt heute Abend nicht. Wegen dir!" Was für ein Schock. Wenn ein Konzert solchen Ausmaßes ausfällt, ist das eine Katastrophe.

Die Halle war ausverkauft, 6000 Leute warteten im Regen. Mir wird übel. Das Ende meiner Karriere! Schließlich kommt Marcel Avram aus einer Krisensitzung mit Lizas Management, nimmt mich in den Arm und sagt: "Junge, gut gemacht! Wir machen so ein Theater nicht mit."

Wir wollen schon gehen, da lässt Liza mich rufen. Ich gehe also in ihre Garderobe, da sitzt sie vor ihrem Schminkspiegel im durchsichtigen Negligee, nur einen Slip drunter, sonst nackt.

Liza schickt die Assistentin raus. Ich bin allein mit ihr. Sie wirft sich auf den Boden und heult: "George, I'm so sorry! Wie konnte mir das passieren!" Dann küsst sie mich vom Knie aufwärts, nimmt mich in den Arm und heult Rotz und Wasser! Und von dem Moment an wich Liza kaum noch von meiner Seite. Jeder, der uns gesehen hat, dachte, wir seien ein Paar.

Die Geschichte mit dem Konzert in Düsseldorf jedenfalls endete so: Nachdem Liza in der Garderobe mich vom Knie bis zum Kopf geküsst hatte, sagte sie zu mir: "Tonight, I'm only singing for you, darling!" Es war das beste Konzert der Tour. Ich musste am Rand der Bühne stehen. Und Liza warf Luftküsse in meine Richtung.

Bruce Springsteen, Ostberlin 1988

Eigentlich war es klar, dass ich Rockstars immer in einem Mercedes S-Klasse oder einem Siebener-BMW chauffierte. Bruce Springsteen allerdings wollte lieber in einem weißen VW -Bus fahren, den ich extra bei Europcar besorgen musste. Springsteen war sowieso eigensinniger als die meisten anderen Stars.

Manchmal ist er tagsüber einfach verschwunden, was die Bodyguards immer zur Verzweiflung trieb. Vor allem seinen Chefbodyguard Bob Wein, einen Vietnam-Veteranen, der mich manchmal nachts aufweckte und mich das Auto vorfahren ließ, nur um die vorm Hotel wartenden Fans zu verwirren. In München, als Bruce einmal kurz verschwunden war, wollte Wein, dass ich Bruce mit dem Auto im Englischen Garten suche. So ein Quatsch. Nach dem Konzert in München hatten wir zwei Tage frei und Springsteen wollte shoppen gehen.

Wir kauften für seine Freundin Patti Berge von Unterwäsche und antiken Schmuck. Und Bruce besorgte sich fünf Lederjacken plus eine Trachtenjacke, die er gleich anbehielt. Anschließend wollte er unbedingt das Umland sehen. Ich schlug vor, mit unserem VW-Bus zum Starnberger See zu fahren, ins Gasthaus "Zum Fischmeister", um dort einen Apfelstrudel zu essen.

Es regnet in Strömen, als wir beim "Bierbichler" sitzen, doch Bruce sagt: "Ich geh mal ein bisschen mit Patti spazieren." Nach einer halben Stunde kommt er wieder und fragt, ob ich eine Tüte hätte. Ich hatte zwar keine Ahnung, was er damit wollte, aber ich gab ihm die Tüten, in denen die Lederjacken waren, und er verschwand wieder.

Er hat dann offenbar anderthalb Stunden mit Patti am Seeufer Kieselsteine gesammelt, eine ganze Tüte voll, um sie mit nach Hause nach Amerika zu nehmen. Natürlich war Bruce danach total durchnässt. Aber er hatte ja die Hirschlederjacke an, die er gerade für 5000 Mark gekauft hatte. Die konnte er nachher wegschmeißen.

Während dieser Tage in München erreichte uns eine Anfrage, ob Springsteen in Ostberlin spielen wolle. Springsteen sagte zu, doch alle 60000 Karten wurden nur an linientreue Jugendverbände verteilt. Die Karten ließen sich aber am Kopierer fälschen und plötzlich standen 180.000 Menschen vorm Stadion. Außerdem stand auf den Tickets "Konzert für Nicaragua".

Darüber wurde Bruce sauer, und fünf Minuten, bevor das Konzert losgehen soll, sagt er zu mir: "Ich möchte mit den Menschen auf Deutsch reden, kannst du mir eine Rede übersetzen?" Folgendes habe ich Bruce dann phonetisch aufgeschrieben: "Ich bin hier ohne politisches Motiv. Ich möchte nur ehrlichen Rock 'n' Roll spielen, in der Hoffnung, dass eines Tages alle Mauern fallen."

Dann ging Bruce auf die Bühne und sofort stürzten mein Chef und Springsteens Manager sich auf mich: Was Bruce denn gewollt habe? Ich sagte, ich hätte ihm eine kleine Rede übersetzt darüber, dass hoffentlich bald alle Mauern fallen. Die beiden sind ausgeflippt: Das Wort "Mauer" durfte man in der DDR nicht sagen. Wir alle gerieten in Panik. Das Konzert lief schon, jeden Moment würde die Rede beginnen.

Auf der Bühne vor dem Schlagzeug ging es ein paar Stufen runter in ein Kabuff, wo für Bruce immer eine Schüssel mit Eiswasser stand. In dieses Kabuff bin ich gekrochen und habe Bruce verzweifelt Zeichen gegeben. Tatsächlich kommt er nach dem nächsten Song runter.

Ich sage ihm: "Wir müssen das Wort 'Mauern' ändern. Wir müssen 'Barrieren' stattdessen sagen!" Natürlich konnte er mich kaum verstehen. Ich habe ihm dann "Bar-hee-earen" aufgeschrieben und er ging wieder auf die Bühne. Wir hatten keine Ahnung, ob er das jetzt verstanden hatte und wann er überhaupt gedachte, seine kleine Rede zu halten.

Endlich fängt Springsteen an zu reden, die Stelle mit den Mauern kommt immer näher, wir schwitzen vor Angst. Wir befürchteten, dass bei einem falschen Wort die Offiziellen uns den Strom abdrehen. Und dann kommt's: Bar-hee-earen! Glück gehabt. Bruce hat übrigens neulich in einem Interview gesagt, er könne sich bis heute an die Gesichter der Menschen in der ersten Reihe erinnern.

Paul MCCartney, Hamburg, 1989

Paul McCartney war nach seiner Zeit mit den Beatles nie wieder nach Hamburg gekommen. Deshalb wollte er seine erste Solo-Tournee 1989 unbedingt dort beginnen. Ich sollte ihn am Flughafen Fuhlsbüttel abholen, und während ich auf McCartneys Privatjet warte, kommt eine Frau in Lufthansa-Uniform übers Vorfeld gelaufen, gibt mir ihre Visitenkarte und sagt: "Richten Sie Paul schöne Grüße aus, wir kennen uns." Ich gucke auf die Karte, da stand Marlies Blackmore.

Das war die Ex-frau von Ritchie Blackmore, dem Gitarris-ten von Deep Purple. Die kannte McCartney noch aus der Hamburger Zeit. Später hat sie den Blackmore geheiratet.

Nachdem McCartney gelandet war, steigt er mit seiner Frau Linda und seinem Assistenten bei mir im Auto ein, und wir fahren gleich in einem langen Konvoi vom Flughafen in den "Kaiserkeller" auf der Großen Freiheit. Den Konvoi hatten sich seine beiden Sicherheitsleute ausgedacht, zwei ehemalige Scotland-Yard-Polizisten. Solche Idioten habe ich mein Leben noch nicht gesehen.

Der eine hatte so ein Klemmbrett dabei und lief die ganze Zeit damit rum, hat immer geblättert, wieder etwas gemalt und Autos und Personen nummeriert, mit seinem Kollegen konferiert und wieder alles umgeschmissen.

Auf dem Weg zum "Kaiserkeller" erzählt McCartney seiner Frau Geschichten von den alten Tagen: wie er und die anderen Beatles morgens betrunken den Michel hochgeklettert sind und sich auf dem Turm schlafen gelegt haben, bis das Läuten der Glocken sie geweckt hat, und sie in Panik die Treppen hinunterstürzten. Und solche Sachen. Mit mir bemüht er sich sogar, Deutsch zu sprechen.

Irgendwann reiche ich ihm die Karte von der Lufthansa-Dame nach hinten: "Übrigens, bevor Sie gelandet sind, sagte diese Frau, ich solle Sie von ihr grüßen." Er blickt auf die Karte: "Oh, Marlies!", ruft er. "George, wie können Sie mir die Karte vor den Augen Lindas geben!" Und ich denke noch: Oh, vielleicht hätte ich ihm das besser heimlich geben sollen. Dann aber haben er und Linda das weggelacht.

Im "Kaiserkeller" wollte McCartney um der alten Zeiten willen eine Pressekonferenz geben. Es war ein Riesenhallo, sogar die Nutten im Puff nebenan hingen aus dem Fenster. Wie alte Bekannte hat er die begrüßt. Während der Pressekonferenz fällt mir ein Typ auf, der hinten in einer Ecke steht, ein älterer Mann, völlig aufgebracht. Er hält einen Bierdeckel hoch, um ihn herum hat sich schon eine Traube gebildet. Er erzählt: "Die Beatles schulden mir noch Geld! Hier ist ihr Deckel.

McCartney kommt hier nicht raus, bevor ich meine Kohle habe!" Der Mann besaß eine Kneipe um die Ecke vom "Kaiserkeller" auf der Großen Freiheit, "Gretchen & Alfons", ein Stehausschank mit kleiner Küche, den es heute noch gibt. Da haben die Beatles fast jeden Tag gegessen und getrunken. Freitags haben sie für alle ihre Shows ihr Geld gekriegt und freitags zahlten sie auch immer bei "Gretchen & Alfons" ihren Deckel von der ganzen Woche. Nur ihren letzten Deckel haben sie nie bezahlt, weil sie überstürzt abgereist sind. Und den hatte der Mann jetzt in der Hand, ganz vollgeschmiert war der, die Endsumme betrug 84,70 Mark.

Nach der Pressekonferenz auf dem Weg zurück ins Hotel erzähle ich McCartney, dass da ein Mann behauptet, die Beatles schuldeten ihm Geld. McCartney sagt lakonisch: "Wem schulden die Beatles kein Geld?" Ich sage: "Aber er wusste die exakte Summe. Sein Name war Alfons." Da kommt von ihm wie aus der Pistole geschossen: Gretchen & Alfons! Am nächsten Tag schickt McCartney den tourneeeigenen Hofjournalisten, einen Fotografen und mich zu Alfons - mit einem übergroßen Tour-Plakat, da hatte er draufgeschrieben: Sorry it took 27 years! Dazu hat er 200 Mark gelegt. Alfons war ganz stolz: Da stand er vor seinem Laden mit diesem Plakat, wurde fotografiert, McCartney hat eine riesige PR-Aktion daraus gemacht. Der Hammer kam drei Wochen später.

Wir sind irgendwo in Deutschland auf der Autobahn, da sagt McCartney plötzlich aus heiteren Himmel zu mir: "Wissen Sie, George, wenn ich es mir recht überlege, ich habe Alfons 200 Mark gezahlt für alle Beatles. Also schulden mir Ringo und George jetzt jeweils 70 Mark." Nur John Lennon war entschuldigt, aber auch nur, weil er tot war.

Ich dachte erst, McCartney macht einen Witz. Leider war es kein Witz, ihn hat das wirklich drei Wochen lang beschäftigt! Einer der reichsten Männer der Welt, aber in der Branche ist er als Geizhals verschrien. George Harrison ist inzwischen auch gestorben. Aber ich wette, von Ringo will McCartney bis heute seine 70 Mark.

Frank Sinatra, München-Wien 1988

"Sprich Frank Sinatra nicht an, es sei denn, er fragt dich etwas", hatte mir Gary Labriola, Sinatras amerikanischer Tourmanager noch am Militärflughafen Fürstenfeldbruck eingeschärft, wo Sinatra wegen Nachtflugverbots am Münchner Flughafen landen sollte. Sinatra kommt natürlich leicht angesäuselt an, lässt sich auf den Rücksitz des Mercedes fallen, gleich neben die Flasche Jack Daniels, die ich dort für ihn bereit gestellt hatte.

Sofort verbreitet sich in dem Mercedes der Geruch eines schlecht gelüfteten Stehausschanks. Auf der Fahrt zur Olympiahalle in München sagt zunächst keiner ein Wort. Dann in die Stille hinein meint Sinatra plötzlich: "Ich habe gerade ein sehr böses Wort gelesen." Wieder herrscht Stille, keiner traut sich nachzufragen.

Schließlich sage ich: "Welches Wort?" Sofort antwortet Sinatra, einen deutschen Akzent imitierend: "Dachau, mein Herr." Er hatte ein Straßenschild gesehen. Ich erzählte ihm, dass mein Vater drei Jahre in Dachau war und Frank wollte die Geschichte im Detail hören - das Eis war gebrochen. Später auf der Autobahn befiehlt er: "Drück mal ordentlich auf die Tube. Ich will sehen, wie schnell diese deutsche Gurke läuft!"

Am nächsten Tag sollte Sinatra zusammen mit Sammy Davis Jr und Liza Minnelli in Wien auftreten. Eigentlich war auch noch Dean Martin angekündigt, doch der musste wegen Alkoholproblemen in den USA bleiben. Für Wien fragen wir wie sonst auch eine Polizeieskorte an für den Weg vom Hotel zur Stadthalle. Die Wiener Polizei lehnt ab mit den Worten: "So was gibt's bei uns nicht mal für den Kaiser von China."

Wie in solchen Fällen üblich, bestechen wir die Polizisten mit einigen Freikarten und schließlich wird uns zumindest eine "kleine Eskorte" zugesagt. Die soll uns in der Tiefgarage des "Marriott" abholen, doch als wir mit abfahrbereitem Konvoi in der Garage stehen, ist von einer Eskorte nichts zu sehen. Zum Glück ist auch Sinatra noch nicht da. Plötzlich öffnet sich das Garagentor und ein rostiger roter VW Jetta fährt die Rampe runter in die Garage.

Die amerikanischen Bodyguards stürzen sich sofort auf den Wagen, aus dem dann aber zwei dicke Männer aussteigen und sich als unsere Polizeieskorte ausweisen. Wir befürchten, dass Sinatra sofort umdreht, wenn er den VW sieht. Dann kommt Frank, doch bevor er unsere Polizeieskorte überhaupt sieht, stürzt mit einem lauten Knall ein Fan aus dem Lüftungsschacht, zitternd und verdreckt.

Die Bodyguards nageln ihn am Boden fest, doch Frank bleibt gelassen, schreibt dem Fan sogar ein Autogramm. Dann sieht Frank den rostigen Jetta. Ich sage: "Äh, das ist die Polizeieskorte." Während sein Manager in lautes Fluchen ausbricht, lacht Frank sich kaputt.

Endlich fahren wir los, der rostige Jetta voran - und zielsicher lotst er uns in eine Großdemonstration, wir stecken fest und sind von Menschenmassen umzingelt. Sinatras Manager brüllt mich an, ich ziehe den Mercedes in eine Seitenstraße und lasse unsere Polizeieskorte stehen. Jetzt suche ich mir selbstständig den Weg, und weil die Zeit drängt, jage ich den 600er Mercedes gegen Einbahnstraßen und über enge Bürgersteige.

Die Außenspiegel knallen gegen Verkehrsschilder, doch Frank ist begeistert und fragt, ob ich nicht über die Gleise der Hochbahn fahren könnte. Irgendwann erreichen wir die Halle und ich lenke den Mercedes über eine Rampe in die Halle rein bis direkt vor Sinatras Garderobe. Geschafft. Doch zehn Minuten danach öffnete sich noch einmal das Rolltor zur Halle.

Hereingekrochen kam der rostige rote Jetta! Ob sie uns nach dem Konzert auch wieder zum Flughafen eskortieren sollen, fragen die Beamten. Entsetzt lehne ich ab. Aber als nach Ende der Show Frank bei mir in den Fond springt und ich mit vier anderen Limousinen im Schlepptau losfahren will, drängt sich der rote Jetta vor mich! An der ersten Kreuzung nach der Stadthalle fährt der Jetta geradeaus, ich biege sofort rechts ab.

Doch jetzt wird die Zeit knapp, weil auch am Wiener Flughafen ein Nachtflugverbot herrschte. Ein Unwetter geht nieder, die Scheibenwischer sind überlastet, wir fahren viel zu schnell, doch im Fond lässt Frank den Bourbon kreisen. Am Flughafen sollten wir durch ein Seitentor einfahren, dort hatten wir dem Pförtner die Autonummern unserer Limousinen durchgegeben, damit er uns reinlässt.

Kurz bevor wir den Flughafen erreichen, taucht aus der Gischt auf der Autobahn natürlich der rote Jetta auf. Er quetscht sich vor mich. Der Albtraum hat uns wieder. Als wir am Flughafentor ankommen, öffnen die Pförtner uns nicht, weil sie das Kennzeichen des Jetta nicht kennen.

Nur noch ein paar Minuten bis zum Startverbot. Ich lenke den Mercedes rechts auf eine Böschung, versuche am Jetta vorbeizukommen. Frank amüsiert sich prächtig. "Da sind sie wieder, die schmucks!", ruft er vergnügt. So nannte er die Polizisten schon die ganze Zeit, das ist Jiddisch und heißt so viel wie Idioten. Endlich am Flugzeug, schüttelt Frank mir die Hand und sagt: "Kid, you're the best."

© SZ Magazin vom 3.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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