Cannabis als Medizin:Hoffnung, zartes Pflänzchen

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Erst ein Medikament auf Hanfbasis hat das Leben der schwerstkranken Ute Köhler wieder lebenswert gemacht. Jetzt kämpft sie vor Gericht dafür, ihre Schmerzen mit selbst angebauten Cannabis-Pflanzen lindern zu dürfen.

Von Ina Talar

Ihre Qual sieht man der blonden Frau nicht an. Aber Ute Köhler ist schwerstkrank. Sie überstand 1985 eine Krebserkrankung, leidet jedoch bis heute unter den Strahlenschäden.

Erst ein Medikament auf Hanfbasis hat das Leben der 50-Jährigen aus Scheibe-Alsbach in Südthüringen wieder lebenswert gemacht. Dronabinol hat die Schmerzen, die sie nicht eine Stunde am Tage zur Ruhe kommen ließen, verschwinden lassen - und das ohne jegliche Nebenwirkungen.

Doch das Medikament ist teuer. Viel billiger wäre es, Cannabis selbst anzubauen. Darum führt Köhler einen unermüdlichen Kampf.

Am Freitag wird das Amtsgericht Meiningen über den Antrag der 50-Jährigen entscheiden, ihre drei großen Cannabis-Pflanzen und zehn Stecklinge behalten zu dürfen. Der Antrag ist ungewöhnlich.

Selbstanzeige bei der Polizei

Unterstützt wird sie dabei seit Jahren von ihrem Verteidiger Robert Wenzel vom Bundesverband "Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin". Er war bei Ute Köhler, als sie sich am 18. August bei der Polizei in Jena selbst anzeigte. Sie wollte nicht warten, bis die Staatsmacht zu ihr kommt.

Wenzel stand auch an ihrer Seite, als sie am selben Tag - mit einer Hanfpflanze im Blumentopf - mutig beim Oberlandesgericht Jena eine Klage einreichte: Der Staatsanwaltschaft sollte verboten werden, gegen Frau Köhler ein Ermittlungsverfahren wegen illegalen Hanfanbaus einzuleiten, so der Inhalt der 26-seitigen Schrift.

Doch die Richter fassten bereits zwei Tage später den Beschluss, die Klage als unzulässig abzuweisen. Das wollte Ute Köhler nicht hinnehmen. Am 20. September hat Ute Köhler Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Damit alle Kranken straffrei Cannabis verwenden können.

David gegen Goliath

Hinter ihr liegen vier Jahre, in denen sie sich die Finger wund schrieb mit Bittbriefen an das Gesundheitsministerium, mit Klagen an Sozialgerichte.

Sie beschreibt diesen Kampf mit dem des kleinen David gegen den großen Goliath. "Aber ich glaube fest an David", sagt sie. Dieser Glaube an ein gutes Ende ist Mittelpunkt ihres Lebens, ihre einzige Hoffnung.

Ute Köhler erzählt von einer Pressekonferenz im Oktober 2001 in der Charité in Berlin. Die Konferenz stand unter dem Thema "Cannabis als Medizin". Damals hielt sie - als Leidtragende - neben fünf Wissenschaftlern auch einen Vortrag.

Mitfühlender Therapeut

Ute Köhler konnte von ihren Erfahrungen berichten. Denn: Ein mitfühlender Schmerztherapeut hatte ihr im Januar 2000 Dronabinol verschrieben. Er nahm es einfach auf seine Kappe und verordnete es der Strahlengeschädigten, die neben diversen anderen Erkrankungen noch unter chronischer Hepatitis B leidet, mit der sie auf Schmerzmittel allergisch reagiert.

Der Arzt, der sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen wollte, wird nun von den Kassen bestraft, er wurde in Regress genommen. Nach jenem Vortrag in Berlin fanden sich zwei Apotheken, die Ute Köhler seither das Dronabinol - von dem eine Monatsration 860 Euro kostet - unentgeltlich geben.

Diese Apotheken haben, wie der Schmerztherapeut, auch aus Mitleid gehandelt. Sie haben "meinen Hilfeschrei"gehört, wie Ute Köhler sagt. Aber nun will sie ihnen nicht mehr länger auf der Tasche liegen. "Ich halte jeden Monat die Luft an, wie lange es wohl noch gut geht."

Als Mitglied der Deutschen Schmerzliga weiß sie, dass sich von sechs bis acht Millionen chronisch Schmerzkranken jährlich 5000 Menschen das Leben nehmen, weil sie die Dauerschmerzen nicht mehr aushalten und sie von Politik und Medizin alleine gelassen werden.

Für diese Menschen will sie - die dank des gesponserten Dronabinols überhaupt die Kraft zum Schreiben und Kämpfen aufbrachte - mit einstehen. Man müsse doch endlich mal "unterscheiden zwischen dem Junkie am Bahnhof und einem Schwerstkranken".

Wenn sie Dronabinol nicht offiziell über die Kassen beziehen kann, dann will sie von ihrem Grundrecht Gebrauch machen, sich nach ihrem eigenen Gusto therapieren zu können - also den selbst angebauten Hanf in Plätzchen zu sich zu nehmen.

"Es geht um mein Leben"

Wenn aber das Amtsgericht gegen sie entscheidet, will sie dennoch nicht aufgeben. "Es geht einfach um mein Leben", gibt sie ihrer großen Angst Ausdruck. Sollte sie mit einem Verfahren überzogen werden und eine Geldstrafe bekommen, werde sie nicht zahlen.

Lieber ginge sie aus Protest ins Gefängnis. Ute Köhler weiß jedoch nicht, wie sie die Schmerzen, die nach 14 Jahren Qual durch Dronabinol gestoppt wurden, je wieder aushalten soll.

© SZ vom 29.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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