Bundeswehr-Show:"Ich hasse brechen"

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Von der Dschungelshow zur Militärfrau: Der Privatsender RTL lässt mit seiner Moderatorin Sonja Zietlow die Bundeswehr gut aussehen.

Jochen Brenner

Im Bundesverteidigungsministerium saßen im vorigen Sommer die Mitarbeiter des Presseinformationsstabes zusammen. Sie sahen fern. Über den Monitor flackerten Bilder, die eine Dame vom Fernsehen im straff sitzenden Overall zeigen. Stolz besteigt sie auf dem Luftwaffenstützpunkt Richthofen in Ostfriesland einen Phantom-F4-Kampfjet.

Verspätetes Jubiläums-Special zum Armee-Geburtstag: Moderatorin Zietlow wird eingezogen. (Foto: Foto: RTL/dpa)

Sonja Zietlow war früher mal Pilotin bei der Deutschen Lufthansa und hat nach dem Ausstieg aus dem Cockpit eine bunte TV-Karriere hingelegt. Sie trashte beim Privatsender Sat1 mit der Talkshow Sonja, ehe sie in Köln beim Rivalen RTL Anerkennung fand. Legendär wurde ihr Kasernenhofton bei der Quizshow Der Schwächste fliegt.

Keine schlechten Voraussetzungen also, um in einer Dokumentation über die Bundeswehr eine tragende Rolle zu spielen. "Sonja wird eingezogen" wurde von RTL bei der Produktionsfirma Allcom, einem Ableger von Studio Hamburg, in Auftrag gegeben - und ist in enger Absprache mit dem Verteidigungsministerium entstanden.

In vier einstündigen Folgen (immer sonntags, 19.05 Uhr) heuert die RTL-Moderatorin bei der Luftwaffe, dem Heer, der Marine und einer Spezialeinheit an und soll so, laut RTL, "ungewöhnliche Einblicke in die Welt der Truppe ermöglichen, die im deutschen Fernsehen noch nicht zu sehen waren".

Der Pressestab des Ministeriums befand die Folgen für gelungen und gab sein Placet. Am vergangenen Sonntag lief um kurz nach sieben bei RTL die erste Folge.

"Sonja wird eingezogen" ist der verspätete Beitrag des Kölner Senders zum Jubiläum der Bundeswehr, die im vergangenen Herbst 50 wurde. Bei RTL heißt es, damals habe es "Probleme mit dem Sendeplatz" gegeben. Statt Sonjas Soldatenshow kam "Bauer sucht Frau".

Im ZDF lief zum Armee-Geburtstag ein Jubiläums-Special und die ARD brachte den Zweiteiler Helm ab zum Jubiläum - eine Geburtstags-Dokumentation, in der der alt- aber ungediente Moderator Ulrich Wickert Gewehre reinigte und Hemden faltete.

Frau Zietlow, die manche wegen ihres forschen Stils schon mal "RTL-Domina" nannten, fährt nun schärfere Geschütze auf: In der Auftaktfolge fliegt sie als Ko-Pilotin in einem Phantom-Jet mit Überschallgeschwindigkeit über die Nordsee; als später die Human-Zentrifuge im Flugmedizinischen Institut den Gleichgewichtssinn der 37-Jährigen auf die Probe stellt, blinzelt die TV-Frau nur kurz - und schwankt nicht mal dabei.

"Ich hasse brechen", sagt sie. Die Ärzte sind begeistert. Und während Zietlow auf ihrer Flug-Tauglichkeit hin untersucht wird sagt sie die Hintergrund-Einspieler an.

Die kurzen Beiträge sind Lehrstücke für gelungen verpackte Bundeswehr-PR. Mit einstürzenden Twin Towers, Todeswellen und Djerba-Opfern wird der brave sonntägliche RTL-Zuschauer verängstigt; anschließend sorgt der ruhige Flug des MedEvac-Airbus, der "fliegenden Intensivstation" der Luftwaffe, wieder für das schöne Gefühl der Sicherheit.

Naturkatastrophen und Internationaler Terrorismus sind das tägliche Bundeswehr-Business, so der erweckte Eindruck. Die interviewten jungen Soldaten haben einen festen Blick und zeigen sich auch schon mal Gefühl. Von Kriegseinsätzen, toten Kameraden und Unterbezahlung ist diese TV-Heerschau frei.

Das Wohlfühl-Stück stieß im Verteidigungsministerium auf so große Begeisterung, dass Sonja wird eingezogen unter die Rubrik "Nachwuchswerbung" fällt, sagt Sprecher Harald Kammerbauer. Deshalb war kein Cent fällig für die mehrtägigen medizinischen Untersuchungen, die teuren Flüge im Simulator oder den Phantom-Jet-Rundflug. Von üblichen "Beistellungen" redet Allcom-Geschäftsführer Jens Stabenow.

"Wenn wir von der Nützlichkeit des Beitrages für ein positives Bild der Bundeswehr überzeugt sind, dann gewähren wir dem Fernsehen gerne Einblick in die Arbeit der Bundeswehr", erklärt PR-Mann Kammerbauer. Kampfpilotinnen aber gibt es in der Truppe nicht. Vielleicht ändert ja Sonja Zietlow daran etwas.

© SZ vom 10.01.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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