Bundesgerichtshofs-Urteil:Geburtshäuser in der Pflicht

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Wenn Geburtshäuser damit werben, im Bedarfsfall für ärztliche Betreuung zu sorgen, können sie bei ärztlichen Entbindungsfehlern auch haftbar gemacht werden.

Nach einem am Montag veröffentlichten Grundsatzurteil kommt eine Haftung bei ärztlichen Entbindungsfehlern jedenfalls dann in Betracht, wenn diese von Hebammen betriebenen Häuser damit werben, im Bedarfsfall für ärztliche Betreuung zu sorgen.

Im konkreten Fall kam ein Baby wegen eines massiven Fehlers des hinzu gerufenen Arztes schwerst behindert zur Welt. Kind und Mutter streiten um rund 260.000 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Da der Gynäkologe als Geburtshelfer nicht haftpflichtversichert war, ist er inzwischen insolvent. Die Betreiberin des Geburtshauses schloss Zahlungen aus, weil sie für Fehler des Arztes nicht hafte.

"Tat eines Verrückten"

Der BGH bejahte jetzt aber grundsätzlich eine Haftung und wies den Fall zu weiteren Feststellungen an das Oberlandesgericht Hamm zurück.

Nachdem sich die Schwangere im Januar 1997 in das Geburtshaus begeben hatte, ging wenige Stunden später grünes Fruchtwasser ab.

Dennoch verfügte der telefonisch informierte Gynäkologe, die Patientin nicht in ein Krankenhaus zu verlegen. Er untersuchte die Schwangere wenige Stunden später und legte trotz fehlenden Geburtsstadiums über eine Stunde lang eine Saugglocke an. Diese Geburtshilfe wurde später von einem Gutachter als die "Tat eines Verrückten" bezeichnet. Das Kind kam mit schwersten körperlichen und geistigen Behinderungen zur Welt.

Im anschließenden Rechtsstreit wurde zwar die Haftung des Arztes wegen schwerer Behandlungsfehler bejaht und dem Kind 260.000 Euro zugesprochen, eine Haftung des Geburtshauses wurde aber vom Landgericht Arnsberg und dem Oberlandesgericht Hamm verneint. Da der Arzt weisungsbefugt sei, hafte die verantwortliche Hebamme nicht. Der Arzt war aber wegen Insolvenz weitgehend zahlungsunfähig.

Nicht wie bei Belegkrankenhäusern

Der BGH hob die Urteile jedoch auf und bejahte grundsätzlich eine Haftung der Geburtshaus-Betreiberin. Denn nach dem Prospekt habe die Patientin davon ausgehen dürfen, dass der Betreiber des Geburtshauses neben Hebammen auch rasch verfügbare Ärzte bereitstelle und Notfälle im hauseigenen Operationsräumen behandelt werden könnten.

Es habe also "kein gespaltener Vertrag" wie in Belegkrankenhäusern vorgelegen, wonach das Krankenhaus nicht für die Leistungen der Belegärzte hafte.

Das Geburtshaus könne sich auch nicht darauf zurückziehen, dass die Weisungskompetenz beim Arzt liege. Im Rahmen seiner Organisationspflichten habe das Geburtshaus eine selbstständige von Weisungen der Ärzte unabhängige Stellung. Daraus könne sich eine Haftung für Fehler des eingeschalteten Arztes ergeben.

Es sei auch zu prüfen, ob nicht bereits beim Abgang des Fruchtwassers eine Verlegung der Schwangeren in eine Klinik hätte vorgenommen werden müssen und auch hierin eine Verletzung der Vertragspflichten zu sehen sei.

Weil die Vorinstanz keinerlei Feststellungen zu dem Behandlungsvertrag und dem Prospekt des Geburtshauses getroffen hatte, wurde der Fall zur weiteren Aufklärung an das OLG Hamm zurückverwiesen.

Aktenzeichen: Bundesgerichtshof VI ZR 212/03

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