Buckelwal in der Ostsee:"Lärm ist stressig für ihn"

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Ein zwölf Meter langer Buckelwal hat sich in die Ostsee verirrt. Für Anja Gallus, Walforscherin am Stralsunder Meeresmuseum, ein Grund zur Sorge.

Lenz Koppelstätter

SZ: Frau Gallus, wie geht es nun weiter mit dem Wal?

Selten gelingt so ein Foto: Buckelwal vor der Küste Australiens 2006. (Foto: Foto: dpa)

Gallus: Dieser Buckelwal ist eine Sensation, wir haben hier normalerweise nur kleine Schweinswale. Gleichzeitig hoffen wir, dass der Wal schnell den Weg in den offenen Ozean zurückfindet. Nur dann hat er eine Überlebenschance.

SZ: Warum?

Gallus: Der Wal wird sehr hungrig sein und muss jetzt in die Polarregionen schwimmen, um dort Kraft zu tanken.

SZ: Kann er sich in der Ostsee nicht ernähren?

Gallus: Ein Buckelwal frisst normalerweise ein bis zwei Tonnen Krill am Tag, das sind Schwärme von Kleinkrebsen. Doch da kann er hier lange suchen. Hier gibt es nur kleine Fische und wenig Krill.

SZ: Was werden Sie unternehmen, um ihm rauszuhelfen?

Gallus: Gar nichts. Das Tier ist in unbekannten Flachgewässern, getrennt von seinen Artgenossen, die vielen Frachtschiffe produzieren Lärm, das ist sehr stressig. Wenn wir jetzt auch noch mit einer Kolonne von Booten anrücken ...

SZ: Es wird kaum zu vermeiden sein, dass viele Touristen mit Booten und Kameras auf Waljagd gehen?

Gallus: Das kann ihnen keiner verbieten. Aber die Wahrscheinlichkeit, den Wal zu finden, ist doch sehr gering. Das wäre wie ein Sechser im Lotto.

SZ: Wie vertreibt sich der Buckelwal wohl die Zeit? Auf den Fotos ist zu sehen, wie er Sprünge macht.

Gallus: Wir glauben, dass die Sprünge der Kommunikation dienen, aber mit der Kommunikation ist er jetzt ziemlich alleine. Er wird inzwischen schon bemerkt haben, dass er sich verschwommen hat.

SZ: Buckelwale sollen ja außerdem hervorragende Sänger sein.

Gallus: Das sind die komplexesten Gesänge, die wir aus dem Tierreich kennen. Auch sie dienen der Kommunikation. Die Melodien sind menschlichen Liedern sehr ähnlich.

SZ: Der letzte Buckelwal, der sich vor 30 Jahren in die Ostsee verirrt hatte, wurde "Ossi" getauft. Gibt es schon einen Namen für den neuen?

Gallus: Dafür hatten wir noch keine Zeit. Wir haben derzeit alle Hände voll mit Presseanfragen zu tun. Aber irgendjemand wird sich schon einen Namen einfallen lassen.

© SZ vom 31.07.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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