Brasilien:Komplize von Reemtsma-Entführer Drach gefasst

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Nach der Festnahme eines mutmaßlichen Komplizen des Reemtsma-Entführers Thomas Drach am Freitag in Brasilien hat die Staatsanwaltschaft Aachen die Auslieferung des Mannes beantragt. Bernd Dieter Kramer war mit internationalem Haftbefehl wegen Geldwäsche von Lösegeld aus der Entführung des Hamburger Multimillionärs Jan Philipp Reemtsma gesucht worden.

In Kramer wird der dritte Verdächtige, der bei den Geldwäsche-Geschäften im Aachener Grenzland eine zentrale Rolle gespielt haben soll, vor Gericht gebracht. Für die Freilassung von Reemtsma nach rund einem Monat Gefangenschaft waren 1996 umgerechnet rund 15 Millionen Euro an die Kidnapper gezahlt worden. Bis auf 1,3 Millionen Euro blieb das Lösegeld verschwunden.

Bernard Dieter Kramer nach seiner Festnahme in Rio de Janeiro. (Foto: Foto: dpa)

"Nach unseren derzeitigen Erkenntnissen ist das ein Meilenstein", sagte Oberstaatsanwalt Robert Deller am Samstag in Aachen. Der Zeitpunkt der Auslieferung sei völlig offen. Über den Antrag entscheidet in Brasilien das Oberste Gericht "Supremo Tribunal Federal" (STF). Bis zu einem Urteil könnten ein paar Monate vergehen, sagte ein STF-Sprecher.

Die Frage nach dem Lösegeld bleibt für die Ermittler auch weiterhin offen. "Zunächst einmal muss man wissen, ob Kramer etwas sagt, und was er sagt", erläuterte Deller. Dreh- und Angelpunkt für Transaktionen von Lösegeld aus der Reemtsma-Entführung war der Aachener Raum.

Rund ein Drittel der Summe war zwischen 1999 und 2001 im deutsch-belgischen Grenzraum zwischengelagert und dann nach Brasilien und Madrid gebracht worden.

Kramers Festnahme sei ein Fahndungserfolg, sagte Deller. "Er ist nicht zuletzt auf die Hartnäckigkeit, mit denen die Ermittlungen geführt worden sind, zurückzuführen." Die Ermittler hatten schon 2002 einen Geldkurier vor Gericht gebracht, der zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde.

Anfang 2006 war Lutz Drach, der Bruder des Reemtsma-Entführers, wegen Geldwäsche zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt worden. In beiden Prozessen hatte es keine Hinweise auf die verschwundenen Millionenbeträge gegeben.

Kramer soll aus dem Aachener Grenzland stammen. Er hatte nach Zeugenaussagen enge Bekannte im belgischen Grenzgebiet. Thomas Drach soll er im Gefängnis kennen gelernt haben. Kramer hat nach Angaben von Interpol in Rio damals eine elfjährige Haftstrafe wegen Drogenhandels verbüßt.

Drach war unter anderem wegen eines Banküberfalls zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Nach der Reemtsma-Entführung war Thomas Drach 1998 in Argentinien verhaftet, 2000 an Deutschland ausgeliefert und 2001 in Hamburg zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden.

Nach Angaben der Polizei in Rio de Janeiro ist Kramer mit einer Brasilianerin verheiratet und hat ein Kind. Trotzdem könne er ausgeliefert werden. Entscheidend sei, dass er bei seiner Einreise nach Brasilien zur Fahndung ausgeschrieben gewesen sei. Kramer lebte nach einem Zeitungsbericht in der kleinen Gemeinde Santa Rita etwa 200 Kilometer von der Stadt Rio entfernt und führte dort eine Kneipe.

Nach Angaben der brasilianischen Polizei leistete Kramer bei der Festnahme in seiner Wohnung in der Nacht zum Freitag keinen Widerstand. Die brasilianische Ehefrau und die kleine Tochter hätten offenbar von der kriminellen Vergangenheit des Mannes, der sich seit 2000 in Brasilien aufgehalten habe, nichts gewusst, erklärte der Chef der Interpol in Rio, Kommissar Wanderley Martins.

"Der Mann wollte hier ein ganz normales, kleinbürgerliches Leben führen. Sein Haus war alles andere als luxuriös, und der Lebensstil der Familie war nicht auffällig", erzählte der Beamte.

Engen Freunden in Brasilien habe Kramer aber anvertraut, dass er früher oder später mit einer Festnahme rechne. "Wie jeder Justizflüchtling lebte er wohl in täglicher Angst", meinte Martins.

Nun wirke der Deutsche resigniert. Kramer sitzt seit Freitag in einer Zelle im Gebäude der Interstaatlichen Polizei (Polinter) im Norden Rios. Dort muss er auf eine Entscheidung zum Auslieferungsantrag warten.

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