Brandkatastrophe in Paraguay:"Niemand geht, ohne zu bezahlen"

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Viele der fast 300 Opfer hätten sich retten können, als das Feuer in einem Einkaufszentrum bei Asunción ausbrach. Doch der Besitzer hinderte sie nach Zeugenaussagen an der Flucht.

Bei dem verheerenden Großbrand in dem Einkaufszentrum am Stadtrand von Asunción, der Hauptstadt von Paraguay, waren am Sonntag nach Medienberichten mindestens 296 Menschen ums Leben gekommen.

Feuerwehrleute bergen Opfer der Brandkatastrophe. (Foto: Foto: AP)

Das Feuer war in der Mittagszeit in dem stark besuchten Einkaufszentrum ausgebrochen. "Es regnete Feuer, als ich gerade an der Kasse bezahlte", sagte ein 23-jähriger Student. "Wie durch ein Wunder kam ich raus, bevor sie die Türen schlossen."

Mehrere Zeugen erhoben schwere Vorwürfe gegen Angestellte des Einkaufszentrums, die wegen des Feuers Türen zugesperrt hätten, um Kunden daran zu hindern, zu gehen ohne zu bezahlen.

"Schließen!, Schließen!"

Die Überlebende Rosa Resquín berichtete, jemand habe "Schließen!, Schließen!" und "Niemand geht, ohne zu bezahlen" gerufen. "Sie schlossen die Türen vor unserer Nase", sagte die 17-jährige Patricia Benitez, die mit Verbrennungen zweiten Grades ins Krankenhaus eingeliefert wurde.

Ein Sprecher der Feuerwehr bestätigte, dass die Feuerwehrleute die Türen des Einkaufszentrums verschlossen vorgefunden hätten. Die meisten Menschen seien an Rauchvergiftung gestorben, sagte Feuerwehrmann Hugo Onieva. "Wenn sie sie rausgelassen hätten, wäre das nicht passiert."

Medienberichten zufolge beobachteten Passanten den Todeskampf der Eingeschlossenen und versuchten, auch von außen Türen einzutreten oder dicke Schaufensterscheiben einzuschlagen. Einigen sei das gelungen.

Ein Feuerwehrsprecher sagte, das Einkaufszentrum habe nicht über die vorgeschriebenen Sicherheitseinrichtungen verfügt. Es habe weder genügend Notausgänge noch Brandbekämpfungsgeräte gegeben.

Eigentümer spricht von Sabotageakt

Der Eigentümer des Einkaufszentrums, Juan Pío Paiva, wurde festgenommen. Er wies jede Schuld von sich und sprach von einem Sabotageakt. Laut Polizeisprecher Santiago Velazco beteuerte er, jeder hätte den Supermarkt verlassen können. Es gebe jedoch mindestens 20 Zeugen, die das Gegenteil behaupteten.

Die Staatsanwaltschaft will gegen die Firma ermitteln, die den Komplex gebaut hat. Auch die Beamten, die den Betrieb des Zentrums genehmigt haben, sollen sich rechtfertigen.

Die Zahl der Toten könne "leicht" steigen, da die Bergungsarbeiten nur langsam vorangingen und noch nicht alle Opfer gefunden seien, sagte Velazco.

Mehrere hundert Menschen seien durch das Feuer in dem Einkaufszentrum in der Hauptstadt Asunción verletzt worden, teilte der Direktor des nationalen Notfallkomitees, Manuel Saquis, mit.

Viele erlitten schwere Brandverletzungen und Rauchvergiftungen. Die genaue Zahl der Verletzten war weiter unklar. Zuletzt war von rund 300 Verletzten gesprochen worden.

Anklage wegen Totschlags

Zum Zeitpunkt des Unglücks waren Schätzungen zufolge bis zu 700 Menschen in dem Gebäudekomplex, in dem sich unter anderem mehrere Fast-Food-Restaurants, Büros, ein Supermarkt und ein Parkhaus befinden.

"In den 36 Jahren meines Berufslebens habe ich so etwas noch nicht gesehen, tote Leute wie eingefroren, verzweifelte Gesichter, verzweifelt darüber, nicht raus zu können, um ihr Leben zu retten", sagte Velazco.

Untersuchungsrichter Edgar Sanchez bereitete nach eigenen Angaben einen Haftbefehl gegen Paiva vor, der wegen Totschlags angeklagt werden solle.

Nach Behördenangaben löste vermutlich die Explosion eines Gasbehälters in einem Fastfood-Restaurant des Supermarkts das Feuer aus. Laut Augenzeugen war eine Gasflasche explodiert, bevor das Feuer rasend schnell um sich griff. Es habe mehrere Verpuffungen gegeben. Das unter anderem aus Aluminium und Holz gebaute Dach fing laut Feuerwehr rasch Feuer. Im Innern des Einkaufszentrums würden noch zahlreiche Tote vermutet, sagte Velazco.

Präsident Nicanor Duarte kündigte eine dreitägige Staatstrauer an. Er sprach noch am Unglückort den Angehörigen der Opfer, aber auch der Polizisten und Feuerwehrleuten seine Unterstützung aus. "Dies ist ein Augenblick größten Schmerzes", sagte der Präsident angesichts der Tragödie.

Die Behörden in der argentinischen Grenzprovinz Formosa boten medizinische Hilfe an. Für Verletzte wurden in den benachbarten Krankenhäusern mehr als 50 Betten bereit gehalten.

Kirchen, Sportplätze und Nachtclubs wurden neben Krankenhäusern zur Behandlung der Verletzten und zur Leichenaufbewahrung benutzt.

Die Luftwaffe stellte eine Transportmaschine zur Verfügung. Argentinische Ärzte und Krankenhausmitarbeiter machten sich auf den Weg ins Nachbarland, um bei der Versorgung der zum Teil schwer verletzten Opfer zu helfen.

"Solidarität kennt keine Grenzen", sagte der Entwicklungsminister der Provinz, Anibal Gomez.

Bei einem ähnlich schweren Großbrand in einem Einkaufszentrum in der peruanischen Hauptstadt Lima waren am 29. Dezember 2001 274 Menschen getötet worden.

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