Brandenburg:Der "Plastinator" eröffnet eine Leichenwerkstatt

Gunther von Hagens plant im brandenburgischen Guben neben einer Plastinieranlage für Menschen- und Tierkörper auch eine Jugendherberge und einen Erlebnispark.

Philip Grassmann

Auf dem Dachboden der ehemaligen Textilfabrik ,,Gubener Wolle'' steht ein hagerer Mann mit einem dunklen Filzhut und deutet mit dem Finger auf ein paar marode Baracken.

Hagens, ddp

Der Aufschneider: Gunther von Hagens mit Entenscheiben vor seinem neuen Plastinarium in einer ehemaligen Wollfabrik in Guben.

(Foto: Foto: ddp)

Dort, sagt Gunther von Hagens, kommt die Annahme für die Körperspenden hin. Daneben plant er einen ,,Raum der Kontemplation'' und ganz links, in dem 300 Meter langen Hauptgebäude, das bereits weitgehend saniert ist, wird gerade das Plastinarium eingerichtet.

Es ist ein Projekt, das in Guben, einem Städtchen in Brandenburg, viele herbeisehnen. Es gibt aber auch Menschen, denen davor schaudert. Ende der neunziger Jahre wurde der Anatom Hagens mit der Ausstellung ,,Körperwelten'' berühmt.

Er zeigte konservierte Leichen in sitzender Pose, er stellte einen Menschen aus, der die eigene abgezogene Haut wie einen Mantel über dem Arm trug und er präsentierte eine Schwangere mit aufgeschnittener Gebärmutter.

Für viele war das das entsetzliche Horrorkabinett eines skrupellosen Tabubrechers. Andere waren von den präparierten Leichen, bei denen die Gewebeflüssigkeit durch ausgehärteten Kunststoff ersetzt wird, fasziniert. Seine Arbeit ist moralisch umstritten, aber zumindest die Besucherzahlen geben ihm recht. Millionen Menschen haben die Ausstellung inzwischen auf der ganzen Welt gesehen.

In der alten Fabrik in Guben will Hagens nun auf 3000 Quadratmetern Ausstellungsfläche zeigen, wie seine Präparate hergestellt werden, von der Leiche bis zum fertigen Objekt. Auch Tiere sollen dort, wie er es nennt, ,,plastiniert'' werden.

In der Werkstatt kann man mitverfolgen, wie sogenannte Körperscheiben herstellt werden, also senkrechte oder waagerechte Schnitte durch Mensch und Tier. ,,Die menschlichen Körperscheiben werden nur Universitäten und Instituten für Forschungs- und Lehrzwecke angeboten, die Tierscheiben kann sich jeder ins Wohnzimmer hängen'', sagt Hagens.

Mit mindestens 700 Besuchern am Tag rechnet der 51-jährige Mediziner, wenn sein Plastinarium Mitte November eröffnet wird. Er hat auch schon Ideen, wie man das Projekt weiterentwickeln könnte.

Im zweiten Stock des Gebäudes kann er sich etwa eine Jugendherberge vorstellen und bei einem Rundgang über das weitläufige Gelände kommt ihm ein Erlebnispark in den Sinn: zum Beispiel eine nachgestellte Piratenszene mit Skeletten und präparierten Leichen, oder Ponys, auf denen plastinierte Menschen reiten.

Gut drei Millionen Euro will er investieren. 40 Jobs hat er bereits geschaffen, in einigen Jahren sollen es bis zu 200 sein. Anfangs tobte in der Stadt ein heftiger Streit um Menschenwürde und Moral. Bürgermeister Klaus Dieter Hübner von der FDP hat sich für das Vorhaben von Anfang an engagiert.

In der Stadtverordnetenversammlung gab es trotzdem nur eine knappe Mehrheit. Die Kirchen haben das Projekt abgelehnt, ebenso einige Gubener. Aber ihre Zahl ist immer geringer geworden, und vielleicht ist das sogar normal in einer Stadt, in der die Arbeitslosigkeit hoch ist und die Zukunft ungewiss.

Denn selbst für Brandenburger Verhältnisse liegt Guben so ziemlich am Ende der Welt. Jeder Vierte ist arbeitslos, und die Einwohnerzahl sinkt seit Jahren. Früher waren es 30000 Menschen, heute leben hier noch etwa 22000. Es gibt nicht viel, was die Menschen in der Stadt hält. Und wenn sich eine Chance bietet, dann klammern sie sich daran. Mehr als 700Bewerbungen sind bisher bei Hagens eingegangen.

Der Gubener Pfarrer Michael Domke gehört zu den Menschen, die trotzdem nicht aufgeben. Vor einem Jahr, als er von dem Projekt erfuhr, hat er das ,,Aktionsbündnis Menschenwürde'' gegründet. Seitdem versucht er, das Plastinarium zu stoppen.

Er sagt: ,,Die Würde des Menschen endet nicht mit dem Tod. Das ist in allen Kulturen so.'' Hagens wirft er vor, den Körper zu einer Ware zu machen. ,,Er begeht damit einen bewussten Kultur- und Tabubruch, um Aufmerksamkeit zu erregen und Geld zu verdienen''. Aber der Pfarrer weiß auch, dass er auf verlorenem Posten steht.

Er will nun ein Mahnmal einrichten, wenn das Plastinarium eröffnet. Für jeden angelieferten Toten soll dann eine Kerze angezündet werden. Gunther von Hagens kann die Aufregung nicht recht nachvollziehen. Er redet grundsätzlich nicht von Leichen und Toten, sondern von Körpern oder Körperspenden.

Alle seine Präparate, sagt er, stammten von Menschen, die sich bereit erklärt hätten, nach ihrem Tod plastiniert zu werden. Gegenwärtig sind es etwa 80 Körper im Jahr. ,,Das ist wie bei einem Baum'', sagt er. Wenn man den zu einem Möbelstück verarbeitet, ist er ja auch kein Baum mehr.'' Eine Sicht, die auch in Guben offenbar zu überzeugen vermag. Der Pfarrer weiß bereits von zwei Gubenern, die zur Körperspende bereit sind.

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