Betreuung:Betteln um die Zusage

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Wie findet man einen Kindergarten-Platz? Die Kriterien bei der Vergabe sind oft undurchschaubar

Wer sich jemals in Deutschland um einen Kindergartenplatz bemüht hat, weiß, dass er Bittsteller ist. Und so sollte er sich am besten auch verhalten. Zwar existiert seit fünf Jahren ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Doch erstens gibt es immer noch zu wenig Plätze für alle Drei- bis Sechsjährigen. Zweitens sind lediglich vier Stunden Betreuung am Tag garantiert. Und drittens kann die jeweilige Kommune diesen Platz in einer beliebigen, meist städtischen, Kindertagesstätte anbieten.

Der Platz im Wunschkindergarten bleibt oft ein Wunschtraum. (Foto: Foto: DPA)

Die städtischen Kindergärten sind allerdings vielerorts weniger begehrt, denn hier dominieren offene Konzepte und oftmals schlechte Betreuungsschlüssel - wie etwa in Wiesbaden, wo eine Erzieherin bis zu 29 Kinder beaufsichtigen muss. Was Eltern von Kleinkindern heute wollen, sind Kindergärten, die feste, möglichst kleine Gruppen und konstante Bezugspersonen bieten, die strukturierte Tagesabläufe haben und in denen nicht nur gespielt, sondern auch gelernt wird.

Beharrungsvermögen und Freundlichkeit

Bloß wie kommt man in den Wunschkindergarten? Annette, 36, hat es geschafft. Die bekennende Atheistin ergatterte einen Platz für Sohn David bei einer evangelischen Gemeinde durch Beharrungsvermögen und Freundlichkeit. "Ich war relativ präsent und habe gut vermittelt, dass ich David den Zugang zum Glauben offen halten möchte, auch wenn wir praktisch nie in die Kirche gehen." Dreimal ist Annette mit ihrem Sohn in den Wunschkindergarten gegangen, um ihn probehalber mitspielen zu lassen. Irgendwann kannte die Leiterin Annettes Namen. Wenig später kam die Zusage.

Es gibt ein gutes Dutzend Kriterien, die den Eintritt in den Kindergarten erleichtern: Kinder von Alleinerziehenden, Geschwisterkinder, Kinder in sozialpädagogischen Notlagen, Kinder, deren Eltern noch in der Ausbildung sind - all diese Konstellationen haben meist Vorrang vor der Normalfamilie. Kinder, die mit zwei nicht von der Sozialhilfe lebenden Elternteilen unter einem Dach aufwachsen, haben eben Pech. Sie konkurrieren um die knappen restlichen Kindergartenplätze. Denn in der Regel gibt es für diese Kinder keine logischen Aufnahmekriterien. Hinzu kommt, dass jede Stadt und jedes Dorf die Platzvergabe anders organisiert: Mal zentral, mal autonom, mal mit einem Mischmasch aus vorgegebener und freigestellter Vergabemöglichkeit.

"Unsere Träger sind völlig autonom in ihrer Vergabe", sagt Erich Bauer, Leiter der Kita-Abteilung in Darmstadt. "Dass ein Waldkindergarten andere Kriterien hat als eine Elterninitiative oder ein städtischer Kindergarten, ist doch klar." So kommt es, dass jede der mehr als hundert Darmstädter Kindertagesstätten neben den verbindlichen sozialen Kriterien unterschiedliche Vergaberichtlinien entwickelt und umsetzt: Im Waldorfkindergarten werden Eltern nach Stilldauer und Impfungen gefragt, in der Elterninitiative sind Putz-Engagement und Buchhaltungskenntnisse erwünscht, die kirchlichen Träger erkundigen sich nach Familienstand, Konfession und Tauftermin.

Die Kriterien die den Eintritt in einen bestimmten Kindergarten regeln, sind vielfältig (Foto: Foto: AP)

Es geht auch anders

"Ich will die Kindergärten nicht knebeln. Diese Autonomie der Träger gewährleistet schließlich eine große Vielfalt an Angeboten, die uns zu einer der stolzesten Kommunen macht", sagt Bauer. Doch was heißt hier knebeln? Fast alle Kindergärten werden mit Steuergeldern finanziert. In Darmstadt erhalten die städtischen und die großen freien Träger 100 Prozent ihrer Betriebskosten von der Stadt, die Kirchen werden zu 85 Prozent bezuschusst, kleine freie Träger wie Elterninitiativen immerhin noch zu 70 Prozent. Hinzu kommen Landesmittel, die ein Kindergarten in Abhängigkeit von verlängerten Öffnungszeiten und der Integration ausländischer Kinder jährlich eintreiben kann.

Dabei geht es auch anders. In Köln beispielsweise werden Kindergartenplätze, die die Kommune anbietet, zentral über die Bezirksjugendämter vergeben. Ausschlaggebend ist einzig das Geburtsdatum des Kindes. Auch in München, dem bundesweit größten Träger von Kindertagesstätten, müssen sich die städtischen Kindergärten an einen Kriterienkatalog bei der Platzvergabe halten, der vor allem auf soziale Situationen Rücksicht nimmt. In beiden Städten sind die freien Träger von diesen Regeln jedoch ausgenommen. "Solange sich der katholische Kindergarten an die Vorschriften aus dem Kindergartengesetz hält, kann er zum Beispiel katholische Kinder bei der Aufnahme bevorzugen", sagt Eva-Maria Volland vom Münchner Schulreferat.

Also versuchen Eltern weiterhin mit allen Mitteln, die Kindergartenleitung davon zu überzeugen, ausgerechnet ihr Kind aufzunehmen. Wie die Mutter in Darmstadt, die einen anrührenden Brief an die Leiterin des katholischen Kindergartens schrieb und dem Pfarrer eine großzügige Spende für den sanierungsbedürftigen Kindergartenplatz anbot. Der wehrte zunächst ab und verwies auf die knappen Plätze. Drei Tage später kam der positive Bescheid für den ersehnten Platz.

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