Berlin Fashion Week:Kaputt ist schick

Lesezeit: 2 min

Streetware in der Industriebrache: Bei der Berlin Fashion Week geht es viel lässiger zu als bei den Schauen in Mailand und Paris.

Dirk Peitz

Klaus Wowereit stand am Sonntagabend in einer Halle der Berliner Messe auf einem Laufsteg und forderte die Modemessenbesucher zur Eröffnung der Berlin Fashion Week in seltsamem Englisch dazu auf, sie sollten möglichst viel Geld in der Stadt lassen, die könne das brauchen. Ob die Stargäste des Abends, das Poptrio Sugababes, die Aufforderung wirklich verstanden haben?

Die Sugababes waren einmal die am nachlässigsten angezogene und deshalb authentischste Girlgroup der Welt. Nach diversen Imagekorrekturen sind sie nun nur noch eine von vielen aufreizend gestylten Mädchencombos. Dafür verdienen die Sugababes jetzt richtig Geld.

Und genau so wäre auch Berlin gern, wenn es nach dem Regierenden Bürgermeister ginge: Schön und reich. Bislang reicht es nur zum nachlässig Angezogensein. Doch genau das lässt die Stadt für ausländische Besucher so sexy wirken.

Wowereit eröffnete eine Show des Sportartikelherstellers Adidas, der die Streetwear-Kollektion für den kommenden Winter zeigte. Die Damen sollen zum Beispiel weiße Overalls und metallisch glitzernde Capes im Spät-60er-Jahre-Gstaad-Stil tragen, und die Herren braune Trenchcoats zur Jogginghose.

Die Adidas-Show war zugleich so etwas wie der Ausklang der zeitlich vorgeschalteten Street- und Sportswear-Schau "Bread & Butter". Die gehört nicht zu den schon verwirrend vielen Modemessen wie etwa der gediegeneren Trendschau "Premium Exhibition", die unter dem Signet Berlin Fashion Week vereint sind.

Immerhin teilen alle sechs Berliner Messen eine Vorliebe dafür, sich in Industriebrachen nieder zu lassen. Die "Bread & Butter" haust in einem ehemaligen Kabelwerk, die "Premium Exhibition" in einem einstigen Postbahnhofsgebäude. Das ist die ortstypische Kaputte-Location-Seligkeit, noch einer der Gründe für den anhaltenden Berlin-Hype. Auf die hergezeigte Mode wirkte der allerdings nur begrenzt.

Romantisierung alpinen Lifestyles

Neben der längst zur Uniform des Jungseins gewordenen Streetwear mit ihren ewig gleichen Baggyjeans und Kaputzensweatshirts gab es auf der "Bread & Butter" vor allem die weitere Romantisierung alpinen Lifestyles zu begutachten. Nachdem Labels wie "Alprausch" und "Zimtstern" in den letzten Jahren schon die Welt der Berge in den Alltag gebracht haben, droht nun die nächste Heidi-Welle.

Andererseits ging es für die Messebesucher in erster Linie darum, Einladungen für die richtigen Partys zu ergattern. Die Party des Trash-Magazins Vice im vorbildlich kaputten Club Rio war die begehrteste.

Die Vice-Macher gelten als größte Experten in coolen Geschmacklosigkeiten, die Gäste waren fast unerträglich hip, sie hatten sich vorher so zurecht gestylt, dass sie möglichst nachlässig angezogen ausschauten.

Die Eröffnungsparty der Berlin Fashion Week im Messepalais dagegen war von ausgesuchter Gediegenheit. Die Sugababes gaben einen routiniert aufreizenden Live-Auftritt, und die Gäste hatten sich vorher auf reich und schön gestylt.

Vielleicht sollte Berlin einfach mal versuchen, es selbst zu bleiben. Nämlich arm und kaputt. Dann klappt es bestimmt auch mit der Modemetropolenwerdung.

© SZ vom 31.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: