Berichterstattung offenbar manipuliert:Die Korruptionsfalle

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Der frühere ARD-Sport-Reporter Jürgen Emig ist wegen des Verdachts auf Untreue, Betrug und Bestechlichkeit festgenommen worden.

Von Hans Leyendecker

Der Frankfurter Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner ist der bekannteste deutsche Korruptionsfahnder. Der 55-Jährige hat in den vergangenen 18 Jahren in rund zweitausend Verfahren ermittelt. Dem Fernsehpublikum ist er als Diskutant bei Maybrit Illner und Sabine Christiansen bekannt.

Jürgen Emig, früher Sportchef beim hessischen Rundfunk, steht unter Verdacht, sich über dubiose Marketingagenturen bereichert zu haben. (Foto: Foto: dpa)

Am Dienstag war der Strafverfolger, der auch Leiter der Antikorruptionsstelle der Frankfurter Staatsanwaltschaft ist, bei der Durchsuchung im Hause eines Mannes zugegen, den die sportinteressierten Fernsehzuschauer noch gut kennen: In Oberursel durchsuchten Schaupensteiner und Kollegen das Anwesen von Jürgen Emig.

Bis März 2004 war Emig, 59, Sportchef des Hessischen Rundfunks (HR). Seither steht er unter Verdacht - ebenso wie der mit ihm befreundete Präsident des Deutschen Tanzsportverbandes, Harald Frahm -, in einen Korruptionsfall verwickelt zu sein. Über ein Jahr lang hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue, des Betruges und der Bestechlichkeit ermittelt.

Dubiose Marketingagenturen

Dem früheren Radsport-Experten der ARD wird vorgeworfen, einen Teil der Berichterstattung über Sportereignisse im Sendegebiet des HR davon abhängig gemacht zu haben, dass die Veranstalter spezielle Agenturen mit der Vermarktung der Events einschalteten. Bei diesen Agenturen soll es sich um Firmen gehandelt haben, hinter denen Emig und dessen Frau Atlanta Killinger offenbar verdeckt steckten. Zwischen dem HR und den Firmen sollen Sponsoring- und Beistellverträge geschlossen worden sein.

Am Dienstagabend filzten 50 Polizeibeamte und sieben Staatsanwälte der Abteilung für Organisierte Kriminalität unter anderem Redaktions- und Arbeitsräume des HR. Gleichzeitig wurden Emig und sein Partner Frahm wegen Verdunkelungsgefahr vorläufig festgenommen. Emig, der sich gerne als "Doktor" anreden ließ und im Oktober vom HR in eine passive Altersteilzeit versetzt werden sollte, wurde am gestrigen Mittwoch in Frankfurt vernommen.

Als Anwalt steht ihm Eberhard Kempf zur Seite. Kempf ist einer der großen deutschen Strafverteidiger. 2004 hatte er im Mannesmann-Prozess den Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Josef Ackermann, erfolgreich verteidigt.

Prinzip Sendezeit gegen Geld

Nach den bisherigen Ermittlungen soll bei den angeblichen Manipulationen rund um den öffentlich-rechtlichen Rundfunksender ein hoher sechsstelliger Betrag an die Ehefrau Emigs geflossen sein. Die so genannten Vermarktungs-Agenturen haben demnach vor allem Sportarten wie Marathon, Triathlon und Reiten stärker ins Fernsehen gebracht. Es galt das Prinzip: Sendezeit gegen Geld. Die Finanzströme wurden offiziell als technische und personelle Beistellungen deklariert.

Bei den bisherigen Ermittlungen stellte sich heraus, dass es schon seit vielen Jahren im HR einen Grundverdacht gegen den leitenden Mitarbeiter Emig gab und dass der Sender die Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten eher lax erledigte. So gibt es in den Akten der Staatsanwaltschaft Protokolle über Gespräche beim Hessischen Rundfunk, in denen über den Korruptionsverdacht ohne Folgen diskutiert wurde.

Ausweislich der Akten hat erst der neue HR-Intendant Helmut Reitze, der Anfang 2003 ins Amt kam, die Untersuchungen vorangetrieben. Auch gibt es in den Akten Hinweise darauf, dass Emig sein angebliches Abzockersystem in den MDR und ins Saarland transportiert haben soll. Es sieht so aus, als habe sich Emig früher intern sicher gefühlt.

Helmut Reitze war am Mittwoch dienstlich unterwegs und nicht zu sprechen. Zu sagen hätte er sicher eine Menge.

© SZ vom 30.06.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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