Belustigung:Ein Paradies für Lego-Shooter

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Die Welt im Miniaturformat: Im Günzburger Freizeitpark kann man sich unter Robotern und Ravern, Seiltänzern und steinernen Schafen amüsieren - und alles Erdenkliche im Lego-Look konsumieren

Achterbahn fahren? Bist du völlig Banane?" Till hatte noch heute morgen gegen Übelkeit zu kämpfen und findet die Idee, trügerisch langsam auf dem Rücken des Feuerdrachens gen Himmel zu steuern, um dann mit Karacho in die Tiefe zu stürzen, alles andere als angenehm. Auch die Techno-Schleuder scheidet aus, eine Ansammlung rasend rotierender Sitzschüsseln auf einer ebenfalls rotierenden Scheibe. Da macht sich eine Fahrt mit dem Legoland-Express schon besser.

Die Riesen von Berlin! Das Legoland Günzburg bietet Erstaunliches für jung und alt. (Foto: Foto: AP)

Gemütlich tuckert die Bimmelbahn an Neuschwanstein, Holland und Berlin im Kleinformat vorbei. Hin und wieder sind wilde Tiere zu sehen, diesmal im Großformat. Nashörner und Gnus zum Beispiel. Eine Lautsprecherstimme heißt alle Gäste im Legoland willkommen. Das ist nett. Dann erklärt sie, was es hier alles zu sehen gibt und dass allein im Miniland 25 Millionen Legosteine verbaut wurden. Das ist interessant. Schließlich lädt sie alle ein, "im größten Lego-Shop der Welt" vorbeizuschauen. Das ist Marketing. Im Mai 2002 wurde im bayerischen Günzburg der weltweit vierte Themenpark der Lego Company eröffnet. Seither haben sich hier fast drei Millionen Besucher vergnügt. Denn dazu ist ein Freizeitpark da: zum Vergnügen. Und auch wenn diese Mischung aus Hightech-Kirmes im Lego-Look und Lego-Figurenkabinett auf den ersten Blick wie eine monumentale Verkaufsschau für Legosteine aussieht und damit nahe legt, dass Vergnügen und Konsumieren dasselbe sind, lässt doch die liebevolle Ausgestaltung der mehr als 40 Attraktionen - so heißt das nun mal in Vergnügungsparks - den ersten Eindruck schnell verblassen.

"Unglaublich", sagt Till mehr als einmal während des ausführlichen Besuchs im Miniland. "So fein alles", lobt er. Er ist zehn, eigentlich fast elf, und hat selbst schon jede Menge Erfahrung im Planen und Bauen von Miniaturwelten. Ganze Dörfer mit kompletter Infrastruktur hat er in selbst gestaltete Landschaften gesetzt und ein Kreuzschiff mit Fitnessraum, X-Box und allem Pipapo für seine persönliche Weltfußballermannschaft entworfen. Daher kann er das, was er hier vor sich hat, gut beurteilen. Zunächst einmal den schier überwältigenden Gesamteindruck: Venedig sieht dermaßen nach Venedig aus, dass einem der Mund offen steht: "Unglaublich!" Da ist - im Maßstab eins zu zwanzig - der Markusplatz mit dem freilich etwas rot geratenen Campanile und San Marco. Da ist die Seufzerbrücke mit den Bleikammern, wo einst Casanova einsaß; die Rialtobrücke, die Markthallen, der Canale Grande. Am Lido lässt Till begeistert per Joystick einen Drachen steigen. Es stimmt alles, von der Stadtsilhouette bis zur Geräuschkulisse: Die Lieder der Gondolieri, die über die Kanäle schallen, das Getucker der Vaporetti, die japanischen Touristen mit Kamera im Anschlag nach Zattere schippern, und der Applaus, der ertönt, als ein Artist einen gefährlichen Drahtseilakt vollendet.

Die vielen kleinen Gimmicks, die man erst bei aufmerksamer Betrachtung entdeckt, kommen eindeutig am besten an. Besonders die, die man selbst per Knopfdruck in Gang setzt. Der Chor der schwäbischen Schafe, Schweine und Kühe, die in ihrer jeweiligen Sprache "Old McDonald had a farm" zum Besten geben, der Hubschrauber am Flughafen München, der auf Knopfdruck in die Luft geht. Sehr gelungen auch der Kaiserwalzer tanzende Kinni in Neuschwanstein, die liebevoll bepflanzten Bonsailandschaften mit Jägern und Dackel. Am Vierwaldstätter See kann man in der Pension "Zum Verwirt" logieren und Seilbahn fahren. In Berlin gibt es Abbruchhäuser zu sehen, zuckende Raver auf der Loveparade, den Zoo mit Flamingos, Robben und ein entflohenes Kamel, das gemütlich die Straße entlang spaziert. Auffällig sind die vielen roten Ferraris, die man vom Hamburger Hafen bis zum Frankfurter Römer findet. "Is ja cool", sagt Till dazu. Vermutlich ist unter den140 Modelldesignern, die hier drei Jahre lang gewerkelt haben, ein großer Schumi-Fan.

Das könnte stundenlang so weitergehen, wenn nicht ein kräftiger Regenschauer dazwischen käme. Macht nichts, ein Stück Pizza ist jetzt sowieso angebracht. Im Fastfood-Restaurant ist es schon brechend voll. Legoland in Kinderhand? Von wegen. Seniorengruppen bevölkern die Tische. Ein Indiz dafür, dass die eigentlich angestrebte Zielgruppe, Familien mit Kindern im Alter zwischen drei und 13 Jahren, beliebig zu erweitern ist. Schließlich geht die Freude an spaßigen Aktivitäten ja auch quer durch alle Altersgruppen, zum Beispiel beim Thema Nassspritzen.

Im Notfall schwingen sich die Legomännchen schon mal von den Dächern (Foto: Foto: DPA)

Es singen die Steine

Da gibt es die Geysire, die unerwartet aus dem Boden schießen. Oder die Wasserorgel mit Saxophon, Harfe und Trompete, die nicht nur Musik macht, sondern auch spuckt. Der größte Spaß sind die riesigen Wasserkanonen, mit denen man die Leute beschießt, die gerade auf einem Kraken-Karussell unterwegs sind. Man kann auch Wasserbomben zünden. Das spritzt nicht nur ordentlich, sondern knallt auch furchterregend: ein Paradies für kleine Lego-Shooter.

Das nächste Abenteuer wartet untertage: eine Amokfahrt mit den Bionicles, einer Art Power Ranger, und wem das auch nichts sagt: lebende Riesenroboter. Hier programmiert der Besucher per Touchscreen selber seine Fahrt mit einem umgebauten Industrieroboterarm. Dabei kann er insgesamt 70 Bewegungen auf fünf Schwierigkeitsstufen kombinieren, was potenziell 1,4 Milliarden Kombinationsmöglichkeiten entspricht und bei näherer Betrachtung klar macht: Das ist unter Umständen noch ekliger als eine Achterbahn und fällt daher wegen Übelkeitsgefahr aus. Da zieht man doch lieber Kevin Garnett, einem der NBA-Stars, die hier in Originalgröße nachgebildet sind und über ihren Legokörpern echte Trikots tragen, die Hose herunter. Schließlich will die Frage beantwortet werden, was sich unter der Hose befindet. Was wohl? Ein weißer Slip aus Legosteinen. Langsam wird die Zeit knapp. Um fünf Uhr stellen die "Attraktionen" den Betrieb ein, um sechs schließt der Park. Das ist für einen Besuch außerhalb der Ferienzeit wirklich viel zu kurz. Enttäuschung macht sich breit. Nix ist mit der Dschungel X-pedition auf den Spuren des Helden Johnny Thunder und der Fahrt auf der Wasserrutsche, keine Ausgrabungsarbeiten mehr auf der Suche nach Dinosaurierknochen, keine Drachenjagd in der Burg, kein Goldwaschen, keine Führerscheinprüfung im Fahrschulparcours. Und für einen Workshop, in dem man einen Roboter baut und so programmiert, dass er zum Beispiel laufen kann, langt die Zeit schon mal gar nicht. Ein kleiner Trost sind die großen Steinbrocken am Wegesrand, die mit felsiger Stimme "We will rock you" singen. Und das riesige Schiffsskelett mit Röhrenrutschen, das zu guter Letzt nach dem ganzen Staunen zum Toben einlädt. Man wird halt noch mal herkommen müssen.

Kontakt: Legoland, 89312 Günzburg InfoHotline: 08221-700700 Im Netz: www.legoland.de

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