Belgien: Mann läuft im Hort Amok:Blutbad im Märchenland

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Schock und Entsetzen in Belgien: Ein offenbar psychisch kranker Mann ist in eine Kinderkrippe eingedrungen - und hat dort ein regelrechtes Gemetzel angerichtet.

Martin Kotynek

Sein Gesicht hat er weiß geschminkt, die Augen schwarz umrandet, ein langes Messer in seinen Rucksack gepackt. Dann fährt der hagere Mann mit den knallroten Haaren mit dem Fahrrad in den Vorort Sint-Gilis der flämischen Kleinstadt Dendermonde.

Eltern holen ihr Baby von der Polizei ab, die neben der Kinderkrippe ein Krisenzentrum eingerichtet hat. Das Kind hat zur Identifizierung eine Nummer auf der Stirn. (Foto: Foto: AP)

Es ist zehn Uhr, als er am "Märchenland" klingelt. Er habe eine Frage, sagt er, gelangt so in die Kinderkrippe und stürzt sich sofort auf die Babys. Mit dem Messer sticht er auf die Kleinen ein. Dann läuft er in die Zimmer mit den älteren Kindern, wo sich ihm Mitarbeiter der Tagesstätte in den Weg stellen. Auch auf die Erwachsenen sticht er ein. Jene Kinder, die bereits laufen können, versuchen zu entkommen.

Als er die Krippe verlässt, sind nach Angaben der belgischen Staatsanwaltschaft zwei höchstens dreijährige Kinder und eine Betreuerin tot, zehn weitere Kinder und zwei Frauen sind verletzt. Mehrere von ihnen haben schwere Stichwunden erlitten. Die Verletzten wurden in sechs Krankenhäuser eingeliefert, einige wurden dort operiert. Erst am Abend waren sie außer Lebensgefahr.

Nach der Bluttat setzt sich der Mann wieder auf sein Fahrrad und fährt damit in den Nachbarort Lebbeke. Erst nach knapp drei Kilometern ist die Flucht zu Ende, eine Polizeistreife überwältigt den Täter bei einer Aldi-Filiale. Noch immer hat er das Messer dabei, mit dem er zuvor auf die Babys und Kleinkinder eingestochen hat. Zum Tatzeitpunkt befanden sich nach Angaben von Staatsanwalt Christian Du Four 18 Kinder im Alter von bis zu drei Jahren sowie sechs Erwachsene in der Einrichtung.

Krisenzentrum und Katastrophenalarm

Am Ort des Verbrechens herrschte am Freitagmittag Chaos, zahlreiche entsetzte Eltern versammelten sich vor der Kindertagesstätte, Krankenwagen transportierten unentwegt Verletzte ins Spital. Die unverletzt gebliebenen Kinder wurden von der Polizei in ein Krisenzentrum gebracht und dort von Psychologen betreut. Katastrophenalarm wurde ausgelöst und alle Schulen, Kindergärten und Horte in der Region geschlossen. Aus Sicherheitsgründen durften die Eltern ihre verletzten Kinder im Krankenhaus zunächst nicht besuchen. Sie mussten sie zuerst auf Fotos identifizieren.

"Überall war Blut, unglaublich - ein richtiges Massaker", sagt Theo Janssens, der stellvertretende Bürgermeister der Kleinstadt nordwestlich von Brüssel. Er war als einer der Ersten am Ort des Verbrechens. "Die kleinsten Babys waren in ihren Bettchen, sie müssen geschlafen haben", sagt Janssens. "Wir sind entsetzt über diese Tat", erklärt der belgische Innenminister Guido De Padt. "Viele Eltern haben einen Schock." Die Angehörigen mussten psychologisch betreut werden.

Bisher unbestätigten Medienberichten zufolge soll es sich bei dem Mann um einen psychisch Kranken handeln. Er sei bei seiner Flucht auf dem Weg zu einer psychiatrischen Anstalt gewesen, wo er angeblich in ambulanter Behandlung sein soll. Der Verdächtige ist nach Angaben der Staatanwaltschaft 20 Jahre alt. Der Mann stamme aus der Region, sagte Staatsanwalt Christian Du Four am Freitagabend in Dendermonde. Der Verdächtige sei nicht polizeibekannt. Bei seiner Festnahme habe er keinen Widerstand geleistet. Der Mann habe sich bislang weder zu seiner Tat noch zu seinen Motiven geäußert. "Er sagt nichts", sagte Du Four. Auch habe der Mann weder unter Alkohol- noch unter Drogeneinfluss gestanden, betonte der Staatsanwalt mit Blick auf Medienberichte.

Mit der Bluttat werden in Belgien Erinnerungen an die grausamen Mädchenmorde des Vergewaltigers Marc Dutroux wach. Dieser hatte seine Opfer in einem Keller eingesperrt. Die für Soziales zuständige flämische Regionalministerin Veerle Heeren kündigte Ermittlungen zu den Sicherheitsvorkehrungen der Kinderkrippe an.

© SZ vom 24.01.2009/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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