Bayern:Notunterkunft als Endstation für Bahnreisende

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Das Schneechaos, das am Samstag über Teile Bayerns hereinbrach, hatte unliebsame Konsequenzen vor allem für Bahnfahrer. Weil auf verschiedenen Strecken kein Zug mehr fahren konnte, mussten in Buchloe, Fürstenfeldbruck und in Memmingen auf die Schnelle Notunterkünfte eingerichtet werden.

"Wer am vergangenen Wochenende auf Reisen ging, "ging ein hohes Risiko ein", sagte ein Bahnsprecher am Sonntag.

Weil auf verschiedenen Strecken kein Zug mehr fahren konnte, mussten in Buchloe, Fürstenfeldbruck und in Memmingen auf die Schnelle Notunterkünfte eingerichtet werden. Für etwa 250 Fahrgäste der Bahn endete die Fahrt in Richtung Lindau am Samstagabend im Bahnhof Fürstenfeldbruck.

Unter den Fahrgästen befanden sich auch viele Anhänger des FC Bayern, die nach der Bundesliga-Partie gegen den Hamburger SV in ihre Heimatorte unterwegs waren. Nach stundenlanger Wartezeit kehrte der Zug schließlich wieder zum Münchner Hauptbahnhof zurück.

Etwa 20 frierende Fahrgäste blieben in Fürstenfeldbruck und wurden dort in einer Schulturnhalle vom Rettungsdienst des Landkreises betreut. Die Räume standen auch Autofahrern zur Verfügung, die wegen der Staus auf der A 8 nicht mehr nach Hause kamen.

Ersatzverkehr gescheitert

Auf dem Bahnhof in Buchloe im Unterallgäu wurde ein gestrandeter Zug für etwa 40 Passagiere als nächtliches Notlager eingerichtet. Die Fahrgäste wurden von Helfern des Roten Kreuzes mit Essen und Trinken versorgt. Die meisten Fahrgäste befanden sich auf der Heimfahrt entweder vom Einkaufsbummel in München oder von der Arbeit.

Weil aber in der Nacht zum Sonntag die Schneemassen so groß wurden, musste die Deutsche Bahn den Zugverkehr ins Allgäu sowie die Bahnverbindungen zwischen Ulm, Augsburg und München sowie von München ins bayerische Oberland nach Kochel, Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald einstellen.

Erst am Sonntag konnten die in Buchloe gestrandeten Bahnreisenden ihre Heimreise mit Taxen oder mit Hilfe herbeitelefonierter Freunde und Familienmitglieder fortsetzen. Der Versuch der Deutschen Bahn, einen Ersatzverkehr mit Bussen einzurichten, scheiterte nach Angaben eines Bahnsprechers sowohl an den tiefwinterlichen Straßenverhältnissen als auch an fehlenden Bussen.

Am Samstagabend gingen in der DB-Zentrale in München immer mehr Störmeldungen ein. Bäume brachen unter der Schneelast zusammen und blockierten die Schienen, andernorts rissen die Oberleitungen ab. Die Reparaturtrupps kamen nicht mehr nach.

Es fiel so viel Schnee, dass auch die elektrisch geheizten Weichen teilweise ihren Dienst versagten. Schließlich entschied sich die DB-Leitung, den Zugverkehr ganz einzustellen. Ähnlich wie in München wurde auch in Augsburg der Bus- und Trambahnverkehr eingestellt.

"Weder Polizei noch Rettungsdienste können sich an solch flächendeckende Behinderungen erinnern, die in ganz Unterfranken den Verkehr teilweise vollständig zum Erliegen gebracht haben", zog Karl-Heinz Schmitt vom Polizeipräsidium Unterfranken Bilanz. Bereits am Freitagvormittag hatte von Norden her heftiger Schneefall im Raum Aschaffenburg eingesetzt. In der Nacht zum Samstag ging dann auf den Autobahnen A3 und A7 nichts mehr.

Zwischen Würzburg und Frankfurt standen die Autos mehrere Stunden im Stau. Helfer vom Roten Kreuz verteilten an die Insassen Decken und schenkten Tee aus. "Viele Autofahrer nutzten die Zwangspausen zu einem kurzen Schlaf, sie mussten teilweise von der Polizei geweckt werden, wenn es wieder einmal weiter ging", sagte Polizeisprecher Schmitt.

Aus ganz Unterfranken erreichten die Polizei in der Zeit von Freitagnachmittag bis Samstagmittag mehr als 250 Unfallmeldungen. Meist waren es nur Blechschäden. Die Polizei konzentrierte sich schließlich darauf, nur noch Unfälle aufzunehmen, bei denen Menschen verletzt wurden. Insgesamt gingen mehr als 1500 Notrufe bei der Polizei und den Straßenmeistereien ein.

Allerdings mussten die meisten Autofahrer mehrere Stunden warten, bis Hilfe kam. "Autofahrer, die auf Bundes- und Staatsstraßen in den Graben gerutscht waren, organisierten sich selbst Abschleppwagen oder holten Bauern mit Traktoren zur Bergung", sagte ein Polizeisprecher.

Am Samstag gab es auf fast allen Fernstraßen erhebliche Behinderungen. Besonders betroffen waren die A8 Salzburg-München und die A8 München-Stuttgart. In der Nacht zum Sonntag steckten viele Autofahrer in einem rund 65 Kilometer langen Stau auf der A 8 bei Zusmarshausen in Richtung Stuttgart fest. Sie wurden von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und Rotem Kreuz mit Decken und warmen Getränken versorgt.

Auf der München-Umfahrung A99 verbrachten rund 100 Lkw-Fahrer die Nacht in ihren Fahrzeugen auf dem Seitenstreifen. Auch auf der A 8 am Irschenberg blieben zahlreiche Lastwagen liegen. Im Laufe des Sonntag entspannte sich die Situation auf Bayerns Straßen nur langsam. Auf der A 8 zwischen Rosenheim und München-Süd kam es erneut zu einem Stau von 50 Kilometern.

Im Raum Augsburg fielen in kürzester Zeit 40 Zentimeter Neuschnee. Zahlreiche Staats- und Kreisstraßen mussten gesperrt werden. In Augsburg wurde vorsichtshalber eine Sporthalle aufgrund der Schneemassen gesperrt, ein Fußball-Turnier musste abgebrochen werden. Ähnlich prekär war die Lage im Allgäu und in Teilen Oberbayerns.

Nach anhaltenden Schneefälle waren die Einsatzkräfte der Polizeidirektion Kempten und Streudienste seit Samstagmorgen pausenlos im Einsatz. Am Grenztunnel bei Füssen und auf der Autobahn A 7 bei Lachen staute sich vor allem der Rückreiseverkehr aus den Skigebieten.

Mehrere Stromausfälle

In mehreren Gemeinden im Landkreis Unterallgäu fiel der Strom aus. Auch in Teilen von Oberbayern war die Stromversorgung zeitweise unterbrochen, weil Freileitungen der Schneelast nicht mehr standhielten. Am schwersten betroffen waren nach Angaben des Energieversorgers Eon die Landkreise Weilheim-Schongau und Dachau.

Unterbrochen war die Stromversorgung aber auch in den Landkreisen Pfaffenhofen, Fürstenfeldbruck, Freising, Rosenheim und im südlichen Landkreis München. Laut Eon waren etwa 10000 Haushalte zeitweise ohne Strom.

In Vaterstetten bei München rutschte ein Mann beim Schneeräumen vom Dach und brach sich das Becken, ein anderer brachte seine Hand in die Schneefräse, ein Finger musste amputiert werden. Trotz des Winter-Chaos setzte die Gewerkschaft Verdi ihre Streikaktion auch für die Straßenräumdienste fort.

In der Zentrale der Autobahnmeisterei für Südbayern versicherte ein Sprecher, dass ausreichend Streusalz vorhanden sei, auch in den nächsten Tagen sei nicht mit Beeinträchtigungen für den Straßenwinterdienst zu rechnen. Im gesamten bayerischen Alpenraum besteht inzwischen erhöhte Lawinengefahr.

© SZ vom 6.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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