Bärenland Bayern:Der nächste Bruno kommt bestimmt

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Bruno ist tot - und die Empörung groß. Übereilt sei die Entscheidung des Umweltministeriums gewesen, das Tier zum Abschuss freizugeben, heißt es häufig. Umweltminister Schnappauf und seine Mitarbeiter haben inzwischen ein Konzept entwickelt, wie man mit Bären-Besuch in Zukunft umgehen will.

Markus C. Schulte v. Drach

Die Entscheidung des bayerischen Umweltministeriums, das von den Medien liebevoll Bruno getaufte Raubtier abschießen zu lassen, wird in der Bevölkerung, von vielen Tierschützern und auch Politikern als übereilt kritisiert - trotz aller Beteuerungen von Umweltminister Werner Schnappauf und seinen Mitarbeitern, man habe keine Alternative gehabt.

Misstrauisch macht viele Kritiker, dass Bruno, kaum wurde die Abschussfreigabe erteilt, gleich mehreren Touristen und Jägern vor die Kamera bzw. Flinte gelaufen war, während die finnischen Experten zwei Wochen vergeblich versucht hatten, den Bären zu stellen.

Man könnte meinen, der Bär hätte den Abflug der Finnen beobachtet und ist nun aus seinem Versteck gekommen", wundert man sich auch im Umweltministerium. Doch angesichts der Probleme, die die ausländischen Experten hatten, wollte Minister Schnappauf kein Risiko mehr eingehen.

Auch die wenigen Spezialisten, die das Tier mit einem Betäubungsgewehr aus der notwendigen Entfernung hätten ausschalten können, standen nicht mehr zur Verfügung.

Die vom Umweltministerium beschworene Sympathie für Braunbären - jedenfalls für verhaltensunauffällige Tiere - wird sich allerdings in Zukunft an den Bemühungen messen lassen, das geplante "Managementkonzept Braunbär Ursus arctos in Bayern" in die Realität umzusetzen.

Vom Schadbär zum Risikobär

Ein Entwurf des Konzepts, das sich an den Erfahrungen mit den Tieren in Österreich orientiert, liegt sueddeutsche.de vor. Demnach "ist zu erwarten, dass sich Bären als Teil einer grenzübergreifenden Population dauerhaft in Bayern niederlassen" werden.

"Wir begrüßen eine natürliche Zuwanderung des Bären", erklärt das Ministerium in dem Paper, wenngleich eine aktive Wiederansiedlung der vor 170 Jahren ausgerotteten Tiere nicht geplant ist.

Einer der wichtigsten Faktoren im Umgang mit zugewanderten Tieren ist ihre Typologisierung.

Wie die Erfahrungen im Ausland zeigen, lernen Braunbären schnell, neue Nahrungsquellen zu nutzen, die sie in die Nähe menschlicher Siedlungen locken.

Werden sie nicht früh und effektiv genug vergrault, verlieren sie ihre natürliche Scheu vor Menschen. Es kann zu gefährlichen Begegnungen mit dem Raubtier kommen.

Je nach dem Risiko, dass von Braunbären ausgeht, werden sie eingeteilt in:

"Unauffällige Bären" Braunbären können auch in von Menschen besiedelten Gebieten leben - vorausgesetzt, es gibt genug Nahrung und Rückzugsmöglichkeiten für die Tiere.

Gefährliche Situationen können entstehen, etwa wenn Menschen einen Bären überraschen. Um das Risiko zu minimieren sollen die Behörden gemeinsam mit der Bevölkerung und Tourismusverbänden eine Reihe von Maßnahmen ergreifen. Von größter Bedeutung ist dabei die Überwachung eines Bärenbestandes, so dass die Bevölkerung gewarnt werden kann, wo etwa eine Bären mit Jungtieren unterwegs ist.

"Auffällige Bären" werden nochmals unterteilt:

"Schadbären" reißen regelmäßig Nutztiere und "spezialisieren" sich auf landwirtschaftliche Nahrungsquellen.

Kommt es zu materiellen Schäden, werden Maßnahmen zum Schutz vor den Tieren getroffen - in Österreich werden vor allem Elektrozäune um Schafweiden oder Bienenstöcke empfohlen sowie eine bärensichere Aufbewahrung von Lebensmitteln und Müll auf Bauernhöfen.

Bei dieser Einstufung soll auch versucht werden, das Verhalten des Tieres genauer zu überwachen. Wagt es sich in die Nähe von Siedlungen, kommt es zur so genannten Vergrämung: Hat ein Braunbär seine Scheu vor Menschen verloren, wird er mit Lärm oder Gummikugel-Beschuss aus der Nähe von Siedlungen oder Höfen vertrieben.

"Problembären" entwickeln sich aus "Schadbären", wenn diese lernen, dass vom Menschen keine Gefahr ausgeht und die Tiere die Nähe zu Siedlungen immer häufiger suchen. Die Zahl möglicher Gefahrensituationen für Menschen wächst erheblich, der Bär zeigt aggressives Verhalten - ohne dass es zu einem Angriff kommt.

Diese Tiere sollen eingefangen und mit einem Sender versehen werden, so dass man ihren Weg verfolgen und sie systematisch "vergrämen" kann.

"Risikobären" sind Tiere, bei denen wiederholte Vergrämung die Menschenscheu nicht erhöht, oder die - wie Bruno - so mobil sind, dass man sie nicht vergrämen kam. Diese Tiere werden zum Abschuss freigegeben, da die Gefahr besteht, dass sie sich Menschen gegenüber aggressiv verhalten.

Wie auch bei Bruno geschehen sollen Fachleute den tierischen Besucher einschätzen und die notwendigen Maßnahmen ergreifen.

Vom Luchsberater zum Bärenanwalt

Konkret will die bayerische Landesregierung den bisherigen "Luchsberater" zum Koordinator für Großtierarten inklusive Braunbären machen - Deutschland hätte damit seinen ersten "Bärenanwalt".

Zugleich wird ein Vertrag mit dem WWF Österreich abgeschlossen, demzufolge die Tierschützer eine Eingreiftruppe schicken sollen, wenn ein Problembär nach Bayern einwandert.

Darüber hinaus ist geplant, dass sich bereits jetzt im Einsatz befindliche Mitglieder des Luchsberater-Netzes zu Bärenberatern fortbilden lassen, die beim nächsten Bärenbesuch Schäden begutachten und die örtliche Bevölkerung über die Lebensweise der Tiere sowie Maßnahmen zum Schutz vor Bären aufklären sollen.

Was die Akzeptanz der Tiere bei der benachbarten Bevölkerung sicher erhöhen wird, ist der Plan der Regierung, Schäden, die ein Braunbär angerichtet hat, mit Hilfe eines Fonds oder mit Hilfe einer Versicherung wiedergutzumachen.

Vermutlich wird es eine ganze Weile dauern, bis der nächste Braunbär nach Deutschland kommt. Genug Zeit, sich darauf vorzubereiten gibt es demnach. Dann aber wird sich zeigen, ob Bayern tatsächlich das bärenfreundliche Land ist, von dem Minister Schnappauf spricht.

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