Aufregung in Rom:Kapitalschaden

Lesezeit: 2 min

Vom berühmten "Elefantino della Minverva" ist ein Stück Stoßzahn abgebrochen - und ganz Rom ist in Aufregung, manche Zeitungen schreiben gar von einem "Schock". Hat die Stadt tatsächlich ein Vandalismus-Problem?

Von Oliver Meiler, Rom

Ein spitzes Stück Stein, zwölf Zentimeter lang bei nur einem Durchmesser von acht Zentimetern, sorgt gerade für einen monumentalen Aufschrei, einen "Choc Capitale", wie ihn die römische Zeitung Il Messaggero mit einem Wortspiel beschreibt. Der Schock, so soll man das verstehen, ist so sehr einer für die Kapitale Italiens, wie er kapital ist, also irgendwie kolossal: Das "Elefantino della Minerva", eine berühmte Statue Berninis beim Pantheon, hat die Spitze seines linken Stoßzahnes verloren. Zwei spanische Touristinnen haben das Bruchstück gefunden, es lag einfach so am Boden, abgebrochen. Il Messaggero widmet dem Vorfall drei volle Zeitungsseiten, die erste, zweite und dritte. Da soll mal einer behaupten, es gebe in diesen Tagen nichts Wichtigeres als Trump und Trumpitüden. Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi sagt: "Die Statue so verhunzt zu sehen - das verletzt uns alle."

Man muss nämlich annehmen, dass das gedrungene Elefäntchen mit dem Obelisken auf dem Rücken, das die Römer wegen seiner tapsigen Form liebevoll Schweinchen nennen, "porcino" eben, das Opfer eines Unholds wurde. Einfach so abfallen könne der Stoßzahn nicht, versichern die Restauratoren, unmöglich. Und so dürfte die "Amputation des Elefanten", die "Schändung", diese "Beleidigung unserer Kunst", wie man auch in anderen Zeitungen lesen kann, ein weiteres Beispiel für den diffusen Vandalismus sein, den Rom seit etlichen Jahren erleidet und auch ein bisschen erduldet. Jedenfalls muss sich die Stadtregierung vorwerfen lassen, sie schütze den reichen Kulturschatz nicht genügend, der ihre öffentlichen Parks und Piazze ziere: die Brunnen und Büsten, Skulpturen und Statuen.

Nur eine einzige Videokamera, jene über dem Eingang der Senatsbibliothek, könnte den Vorfall am Elefanten gefilmt haben. Vielleicht. Die Polizei hat die Aufnahmen beschlagnahmt. Vorstellen könnte man sich zum Beispiel, dass mal wieder ein Tourist im Suff auf die Statue gestiegen ist, um sich da fotografieren zu lassen - oder, auch sehr beliebt, um ein Selfie zu machen, und sich dafür am linken Stoßzahn festhielt. Möglich wäre aber auch, dass ein Fußball den Schaden verursacht hat, ein amateurhafter Fehlschuss. Der Rektor der Basilica Santa Maria sopra Minerva, Don Gian Matteo Serra, berichtet, das Portal seiner Kirche diene den nächtlichen Kickern auf dem Platz als Tor: "Das ist doch ein bisschen untragbar, nicht?", sagt er. Don Serra hat sich schon oft beschwert über die feuchtfrohen Feste, das "Drama" sei ja absehbar gewesen.

Drama? Das abgebrochene Stück Stoßzahn, so erfährt man nun von der Oberaufsicht der römischen Kulturgüter, ist kein Original, kein Marmor von 1667, dem Baujahr des Elefantino. Die Spitze ist aus Mörtel, eine Prothese, Frucht einer Restaurierung. Gar nicht lange her. Man kann sie wieder ankleben, das kostet nur 1500 bis 2500 Euro. Vielleicht löst sich dann auch die Schockstarre wieder.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: