Asien:Blüten der Schande

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Japanische Kirschbäume führen in China zu Streit - wegen der kriegerischen Vergangenheit beider Länder.

Henrik Bork

In Asien freuen sich die Menschen derzeit an der Schönheit der Kirschblüte - außer in der Stadt Wuhan in Zentralchina. Dort ist ein heftiger Streit um die weißen und rosaroten "Sakura" entbrannt. Ein paar Nationalisten hassen die Kirschbäume, weil sie einst von den japanischen Besatzern gepflanzt wurden.

Kirschblüten - von den Japanern geliebt, von einigen Chinesen gehasst (Foto: Foto: Reuters)

Sie seien "Bäume der Sünde", die Chinas nationale Demütigung durch die Japaner symbolisierten, finden die anti-japanischen Aktivisten. Andere Bürger Wuhans aber verteidigen ihre Bäume. Er sehe "bloß Blüten, keine Schande", konterte ein Chinese im Diskussionsforum des Internet-Anbieters Netease.

Nationaler Freudentaumel in Japan

In Japan wird die Kirschblüte jeden Frühling mit Spannung erwartet und löst dann - wenn sie von Ende März bis Anfang Mai von Süden nach Norden über die Inseln des Archipels wandert - eine Art nationalen Freudentaumel aus. Japanische Familien und Arbeitskollegen feiern das Ereignis beim "Hanami", dem mit viel Sake-Konsum einhergehenden "Blütenschauen" in den Parks von Tokio, Kyoto oder Sapporo.

Die 60 Kirschbäume auf dem Gelände der Universität von Wuhan sind in den 30er Jahren von der japanischen Militärregierung gepflanzt worden, die ihre Besatzungszonen in Asien damals auch mit dem Bau von Shinto-Schreinen "japanisierte".

Gleichzeitig aber machten sich die Japaner mit Massakern an der Zivilbevölkerung und brutaler Unterdrückung nachhaltig verhasst. Die meisten Relikte der Besatzungszeit wurden nach der Gründung der Volksrepublik China dem Erdboden gleichgemacht. Die Kirschbäume in Wuhan überlebten nur, weil Chinas damaliger Premier Tschou Enlai persönlich intervenierte. Er hatte 1919 als Auslandsstudent in Japan ein Gedicht über die Kirschblüte in Kyoto verfasst.

Blüten der Schande

Doch aufgebrachte Nationalisten würden die blühenden Kirschbäume in Wuhan am liebsten fällen. Die "Sakura" in China seien "Blüten der Schande", argumentieren sie. Die Tageszeitung Nanfang Ribao aber verteidigte Bäume und Blüten in einem Kommentar. Obwohl die Japaner als Besatzer eindeutig "verabscheuungswürdig" gewesen seien, hätten sie mit dem Pflanzen von Kirschbäumen lediglich "ihr Heimweh bekämpft", hieß es in der Zeitung. Das sei doch verständlich.

Am Ende dürfte Chinas Wirtschaftspragmatismus sicherstellen, dass auch in Wuhan weiterhin die Kirschbäume blühen dürfen. Die Blütenpracht ist so beliebt, dass die Uni jeden Frühling zehn Yuan (rund einen Euro) Eintritt für ihren Campus verlangen kann. In einer einzigen Frühlingsnacht kamen kürzlich mehr als 50.000 chinesische Sakura-Fans.

© SZ vom 20.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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