Arabische Emirate:Süße Tiger, arme Tiger

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In arabischen Ländern ist es üblich, gefährliche Raubkatzen als Haustiere zu halten. Ein Gesetz soll diesen Irrsinn beenden.

Von Sonja Zekri

Es ist nicht so, dass den Einwohnern der Vereinigten Arabischen Emirate das Dilemma nicht klar wäre, einigen zumindest. Dieser Widerspruch zwischen Natur und Zivilisation und der Frage, ob eine Großkatze, etwa ein Gepard, wirklich in Autos zwischen Shopping-Malls und Wolkenkratzern herumkurven sollten. "Unser Viertel ist zur Mini-Safari geworden", klagte bereits vor einigen Jahren ein Emirati in der Zeitschrift des Innenministeriums 999: "Nur dass wir Einwohner zu Fuß durch den Betondschungel laufen, während die wilden Tiere in klimatisierten Autos fahren."

Nun, sie fahren nicht länger straffrei für den Besitzer. Wer seinen Leoparden, Geparden, seine Python oder den Gorilla öffentlich spazieren fährt oder überhaupt zeigt, so bestimmt seit kurzem ein neues Gesetz, muss jetzt mit einer Geldstrafe bis zu umgerechnet 130 000 Euro rechnen oder mit bis zu einem halben Jahr Gefängnis. Eine ähnlich hohe Geldstrafe droht den Händlern gefährlicher Tiere. Das ist einerseits eine Summe, die für die steinreichen Emiratis eher das Budget für einen preiswerteren Abend sein dürfte, andererseits aber endlich ein bisschen Bewegung in die richtige Richtung - wenn auch nicht auf der ganzen arabischen Halbinsel, sondern nur in den sieben Emiraten, von denen Abu Dhabi, Dubai und Schardschah die bekanntesten sind.

Die Vereinigten Arabischen Emirate haben, wie viele andere arabische Staaten, zwar das Artenschutzabkommen Cites unterzeichnet. Dennoch gelten die VAE wie Katar und Saudi-Arabien als Katastrophe für den Wildtier-Bestand auf der afrikanischen Seite des "Tors der Tränen", des Bab el-Mandab, also der Meerenge zwischen der arabischen Halbinsel und dem afrikanischen Kontinent. Die auf der gesamten arabischen Halbinsel verbreitete Kombination aus Geld, Statusdenken und Langeweile einer fantastisch reichen, zehntausendköpfigen, meist aristokratischen Oberschicht ist oftmals verheerend für die Tiere.

Viele Tiere kommen über gescheiterte Staaten wie Somalia und Jemen, das Armenhaus Arabiens. Sie werden gewildert, illegal gezüchtet, mit privaten Flugzeugen oder sediert unter Autositzen über die lange Grenze zu den wohlhabenden Nachbarländern gebracht. Experten schätzen, dass neun von zehn Gepardenjunge spätestens im Zielland sterben, weil sie den Transport oder falsche Nahrung nicht überleben. Im Internet finden sich Hunderte Anzeigen für illegalen Handel, viele davon kaum verschleierte Angebote lebender Ware.

Geparden sind eine bedrohte Tierart, gelten aber am Golf als ideales Kuscheltier - und ideale Schmuggelware. Zwar sind sie die schnellsten Tiere der Welt, aber, verglichen mit Löwen oder Tigern, weniger kräftig und damit vermeintlich geeigneter für die Heimhaltung und die gelegentliche Spritztour. Dabei werden auch Löwen nicht verschont. Man weiß von blaublütigen Besitzerinnen in Katar, die ihre Wohnung für vier Löwen umbauen ließen, von Dutzenden konfiszierten Löwen in Saudi-Arabien, darunter ein Junges in der heiligen Stadt Mekka, und von regelmäßigen Anfragen bei Tierkliniken, ob man dem irgendwann doch sehr lästig wilden Tier nicht die Krallen ausreißen und die Zähne abfeilen könne. Der eine oder andere erstaunlich unvorsichtige Besitzer stellt Videos ins Netz, auf denen er auf einem Löwen reitet oder seine Wildkatze auf andere hetzt. Auch dies soll nach dem Willen der emiratischen Gesetzgeber mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft werden.

Nun ist es eine Sache, den Besitz von Wildkatzen zu verbieten, aber eine andere, die Tiere zu retten. Wohin mit den Raubkatzen? Nicht immer nimmt sie ein Zoo oder eine Zuchtstation, und in der Wildnis gehen sie unter. Tierschützer fürchten, dass die unerwünschten Geparden, Löwen, Tiger ausgesetzt werden. Das wäre dann die ganz große Safari.

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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