Anna-Nicole-Smith-Story:Autopsie des amerikanischen Traums

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Zu einem spektakulären, skandalträchtigen Leben gehört ein früher, mysteriöser Tod. Der Tod der US-Pop-Ikone Anna Nicole Smith ist, wie ihre Lebensgeschichte, ein Stoff, aus dem moderne Tragödien gemacht sind.

Franziska Seng

Das ist die typische Story des gelebten amerikanischen Traums: Anna Nicole Smith wollte sein wie die legendäre Ikone Marilyn Monroe. Sie tat alles, um ihrem Idol möglichst nahe zu kommen: Platinblonde, gewellte Haare, nachgeschneiderte Marilyn-Kleider, nachgestellte Marylin-Posen für die Paparazzi.

Nun ist sie mit nur 39 Jahren im Hotelzimmer des Hardrock Casino Hotels in Florida gestorben. Die Todesumstände sind unbekannt, und schon setzt die Mythenbildung ein, wie bei Marilyn Monroe, die unter ähnlichen Umständen ums Leben kam. Sogar im Tod schien das schrille Pin-up-Mädchen das große Idol kopieren zu wollen.

Verschwörungstheorien schießen in den Internet-Blogs aus dem Boden: Es sei der Ehemann, der Liebhaber oder die Familie ihres verstorbenen Mannes gewesen. Ein amerikanischer Anzeigenbetreiber bleibt pragmatisch: Er verlost i-Pods an die Web-User, die die richtige Todesursache des Ex-Playmates erraten.

"Enjoy the ride!"

Anna Nicole Smith bezeichnete ihr Leben als Achterbahn, und sie lud alle ein, an der halsbrecherischen Fahrt teilzunehmen. Was gerne alle taten. Amerikas Öffentlichkeit sah zu bei den Irrungen und Wirrungen, bei den Liebesaffären und anderen Skandalen.

Geboren in einem texanischen Kaff, flog die geborene Vicky Lynn Hogan früh von der High-School, jobbte dann in "Jim's Krispy Fried Chicken"-Restaurant, wo sie auch ihren ersten Ehemann, den Koch Billy Wayne Smith, kennenlernte. Mit 17 heriatete sie, zwei Jahre später folgte die Scheidung.

Danach arbeitete sie in einem Table-Dance-Club, wurde für den Playboy entdeckt, und war seitdem von sämtlichen Titelseiten, nicht nur der von Hugh Hefners Hochglanzmagazin, nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig erstrahlte sie als eine in Hochglanzseide verpackte, romantische Braut, die nach mehreren Heiratsanträgen dem strahlenden 89-jährigen Milliardär J. Howard Marshall das Ja-Wort gab.

Nun hatte es sie es nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, sondern gar von der Striptease-Tänzerin zum Milliardär geschafft - oberflächlich betrachtet. Denn nicht nur, dass das eheliche Glück nur 14 Monate währte: als Witwe hatte sie nun fortan mit den Kindern des Hinterbliebenen um das Erbe zu kämpfen.

Gleichzeitig gefielen der Öffentlichkeit die Auftritte der kurvenreichen Schönheit, die trotz aller Affären immer wie die naive Unschuld vom texanischen Lande wirkte. In den neunziger Jahren bot sie dem Publikum einen sinnlich-süßen Hingucker, der mehr Weiblichkeit ausstrahlte, als die immer magerer werdenden Models und Schauspielerinnen zusammen. Bekam man auf H&M-Plakaten sonst nur Models mit Ecken und Kanten zu sehen, wurden Anna Nicole Smiths Kurven auf den Plakaten zum Anlass für kleinere Diebstahldelikte: Schließlich hatte man so etwas lange nicht mehr.

Mädchen für alles und nichts

Es spielte dann auch keine Rolle mehr, dass Anna Nicole Smith von einer Peinlichkeit in die nächste stolperte, oft aufgrund offensichtlichen Drogenkonsums keine vernünftigen Sätze mehr artikulieren konnte. Bei der Verleihung der American Music Awards flanierte sie lasziv über den roten Teppich und lallte: "Like my body?"

Im Grunde war sie ein Mädchen für alles und dann auch wieder nichts: Sie modelte mal hier mal da, schauspielerte in seichten Komödien wie in "Die nackte Kanone 3 1/3, moderierte die "Anna Nicole Smith Show" - die peinlich war wie ein Autounfall: eigentlich möchte man wegsehen - man kann aber nicht. Gegenstand der Sendung war sie selbst, das reichte.

Der Höhepunkt ihrer Lebenskatastrophe war erreicht, als kurz nach der Geburt ihrer Tochter Dannielyn Hope ihr Sohn aus erster Ehe, Daniel, mit nur 20 Jahren starb. Fünf Monate nach ihm schied nun sie aus dem Leben. Doch auch nach ihrem Tod wird das Gezerre in den Klatschspalten nicht abreißen: Zwei Männer beanspruchen die Vaterschaft ihrer kleinen Tochter, fast eine Konstellation für eine klassische Tragödie.

Ihr Mangel an Talent, Exzesse - wie etwa die Liebesaffäre mit ihrem Kindermädchen -, die Zurschaustellung ihres Unglücks und Scheiterns wurden in Augen der Öffentlichkeit jedoch dahingehend rehabilitiert, dass sie immer wieder versuchte, sich aufzurappeln. Das große Scheitern ist eben auch Teil des amerikanischen Traums.

So spielt es auch keine große Rolle, dass sie keine schauspielerischen Geniestreiche ablieferte wie James Dean, in keinen Meisterwerken mitspielte wie Marilyn Monroe in "Some like it hot". Ein Großteil der Öffentlichkeit empfand sie als wunderschön, und Schönheit auf der einen Seite, fatale Lebensunfähigkeit auf der anderen, haben auch ihren Reiz.

Dass sie nun - wie vermutet wird - an den Folgen dieser Lebensunfähigkeit, an einer Schwächung aufgrund jahrelangen Konsums von Drogen und Beruhigungsmitteln starb, wird nun noch zur Mythenbildung beitraten. Denn ein großes Scheitern bringt letzten Endes mehr Bewunderung als eine aalglatte Erfolgsstory. Das ist die andere Seite des amerikanischen Traums. Und es gibt nicht wenige Amerikaner, die dies nachempfinden können.

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