Angststudie:Psychodruck statt Aufklärung

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Katastrophen, Krankheiten, zu hohe Preise: Die Studie einer Versicherung klärt auf über die Ängste der Deutschen. Für Verbraucherschützer und Psychologen sind die Ergebnisse lediglich ein Köder. Von Stephanie Sartor, Berlin

Auf den Tischen stehen Scampi-Häppchen, am Rednerpult eine strahlende Rita Jakli, die Pressesprecherin der Wiesbadener R+V Versicherung. Zur Pressekonferenz in Berlin sind weit mehr Journalisten gekommen, als sie erwartet hatte. Vorgestellt wird die neue Studie des Versicherers: "Die Ängste der Deutschen." Bereits seit 18 Jahren wird die repräsentative Studie jährlich mit 2500 Probanden durchgeführt.

Die Deutschen haben zahlreiche Ängste - und versichern sich gerne dagegen (Foto: Foto: Photocase/ sto.E)

Die Ergebnisse der Studie sollen zeigen, wovor die meisten Bundesbürger Angst haben. Vielleicht wird dem ein oder anderen bei Lesen bewusst werden, dass er ähnliche Sorgen hat. Und dann kann er eigentlich auch gleich zur R+V gehen, um vorzusorgen.

Gegen die Preissteigerungen, vor denen laut der Studie mit 76 Prozent die meisten Deutschen Angst, haben, wird es allerdings wohl keine Versicherung geben. Schon eher für Naturkatastrophen, die im Angst-Ranking Platz zwei belegen. Im Alter ein Pflegefall zu sein, bereitet 53 Prozent der Deutschen Kopfzerbrechen. 51 Prozenten haben Angst, ernsthaft zu erkranken. Auch hierfür gibt es die passende Vorsorge.

Solche realen Ängste, so der Fachbegriff, sind typisch für die Deutschen. Und steigern die Bereitschaft sich zu versichern. Angstforscher Borwin Bandelow von der Uniklinik Göttingen sagt: "Die Deutschen sind sehr vorsichtig, was reale Gefahren angeht und versichern sich dann auch schnell." Das wussten möglicherweise auch die Strategen der R+V.

Für Rüdiger Strichau von der Verbraucherzentrale Berlin ist die Studie so auch eine reine Werbeaktion. Er gehe davon aus, "dass eine Versicherung, die eine Studie über Ängste veröffentlicht, eigene Interessen hat", sagt er. Das Unternehmen nutze aus, dass viele Menschen nicht wüssten, welche Versicherungen wichtig sind und welche nicht. Die meisten hätten bereits zu viele Versicherungen - oder die falschen.

Ähnlich argumentiert Psychologe Bandelow: "Angststudien können natürlich zu Ängsten führen. Ich denke, dass die R+V den Hintergedanken hatte, dass die Menschen ein Versicherung abschließen", sagt er.

Rita Jakli sieht das anders. "Der beste Hebel gegen Angst ist Information", sagt sie. Die R+V wolle die Bürger nur informieren, mehr nicht. "Natürlich liegen Versicherung und Angst eng beieinander. Daraus aber ein Verkaufsszenario zu machen, passt nicht", sagt Jakli.

Dabei wäre ihr Arbeitgeber nicht der erste Versicherer mit dieser Idee - die Allianz in Österreich hat es bereits vorgemacht. "Viele Österreicher habe Angst vor Terror im Urlaub", lautet der Titel einer ihrer Studien aus dem Jahr 2006. Veröffentlicht wurde die Studie natürlich zum Beginn der Sommerferien. Zuvor hatte ein Viertel der reiselustigen Österreicher in einer Umfrage angegeben, auf eine derartige Versicherung bisher zu verzichten.

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