Amoklauf in Finnland:"Das ist mein Krieg"

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Der Schüler, der heute acht Menschen umbrachte, hatte das Massaker vorher im Internet angekündigt - und Bezug genommen auf das Morden an der Columbine High School.

Frederic Huwendiek

Abgrundtiefer Hass auf die Menschheit, krude Überlegenheitsphantasien, harte Rockmusik. Eric Harris und Dylan Klebold, die Mörder von der Columbine Highschool in Littleton scheinen so etwas wie eine Blaupause geschaffen zu haben für junge Amokläufer.

Wie Kimveer Gill, der im September letzten Jahres im kanadischen Montreal einen Menschen tötete, nahm sich auch der 18-Jährige, der am Mittwochnachmittag in einem finnischen Gymnasium mehrere Menschen erschossen hat, offenbar die beiden US-amerikanischen Attentäter zum Vorbild, die 1999 zwölf Schüler und einen Lehrer ermordeten.

Unter dem Pseudonym "Sturmgeist89", unter dem der mutmaßliche Amokläufer Mitglied der Videoplattform Youtube gewesen sein soll, findet sich eine Sammlung von mehr als achtzig Videos - darunter auch ein Film mit dem Titel "Jokela High School Massacre".

Jokela heißt das Gymnasium in der finnischen Kleinstadt Tuusala, in der der Täter wenige Stunden nach Veröffentlichung des Videos acht Menschen, darunter auch die Schulleiterin, tötete.

Der ausgestoßene Übermensch

Das Video - untermalt von dröhnendem Heavy Metal - zeigt zuerst ein Bild der Schule und dann ein blutrot gefärbtes Foto des mutmaßlichen Attentäters, der mit einer Waffe auf die Kamera zielt. Bereits wenige Stunden nach den Schüssen waren Profil und Video gesperrt.

"Sturmgeist89", der in seinem Youtube-Profil auch seinen bürgerlichen Namen Pekka-Eric A. nennt, beschreibt sich in einem Fragebogen als "arbeitlosen Philosophen" und "Außenseiter".

Und sieht sich gleichzeitig "höher entwickelt" als der Rest der Menschheit. Ähnlich wie die Attentäter von Littleton fühlt sich A. als ausgestoßener Übermensch. Der seinen Hass auf die Menschheit in einem Fanal der Gewalt der ganzen Welt zeigen will. Einer Menschheit, die es nur wert sei getötet zu werden, wie er schreibt.

In dem auf der Webseite veröffentlichten Text bezeichnet er sich zudem als Anhänger des Sozialdarwinismus, jener Pseudowissenschaft mit der die Nazis ihren Rassenhass zu untermauern suchten.

Auch die zahlreichen Videos, die Adolf Hitler und Szenen des Zweiten Weltkriegs zeigen, deuten auf eine Begeisterung für die menschenverachtende Ideologie des Nationalsozialismus hin, auch wenn sich Pekka-Eric A. in einer Video-Beschreibung vom Dritten Reich distanziert.

Seine politischen Ansichten bleiben widersprüchlich, konfus. Der selbsterklärte Außenseiter sieht sich, als Teil einer Bewegung, die für eine Revolution, einen finalen Tag der Abrechnung kämpft: "Wenn wir in einer anderen Welt leben wollen, müssen wir handeln. Wir müssen uns erheben gegen die versklavenden, korrupten und totalitären Regime und Tyrannen", schreibt er.

Er wettert nicht nur gegen Tyrannei und Totalitarismus, sondern auch gegen die Demokratie, die er durch "Gerechtigkeit" ersetzen will. In mehreren Videos zollt er den Verantwortlichen des Littleton-Massakers Tribut, bezeichnet sie als "weise Menschen" - ähnlich wie der Amokläufer von Emsdetten.

Pekka-Eric A. sieht sich offenbar in einer Reihe mit den beiden Amokläufern, die in der amerikanischen Columbine Highschool ein beispielloses Blutbad anrichteten. Wie sie will er die verhasste Gesellschaft bekämpfen. Neben einem Video, das ihn bei Schießübungen zeigt, finden sich auch Filme über bekannte Serienmörder in seiner Sammlung.

Seinen Amoklauf, den er im Text nicht ausdrücklich benennt, bezeichnet er als "Ein-Mann-Krieg gegen die Menschheit, die Regierung und die willensschwachen Massen der Welt".

Mit seinen Aktionen wolle er die "intelligenten Menschen" dazu inspirieren, sich gegen das gegenwärtige System zu erheben. Seinen eigenen Tod will er dafür in Kauf nehmen: "Ich bin bereit [...] für meine Sache zu sterben."

Der mutmaßliche Amokläufer scheint sich der öffentlichen Wirkung seiner Seite bewusst zu sein. Er rechnet mit einem großen Publikum - ähnlich wie der Amokläufer von Montreal, der auf seine Website zahlreiche Videos und Fotos von sich veröffentlichte.

Er will seine Tat nicht als die "verrückte Tat" eines verzweifelten Einzelnen betrachtet sehen, sondern sich als Teil einer revolutionären Bewegung stilisieren. Er will wohl so bewundert werden, wie er Eric und Dylan, die Columbine-Attentäter, bewunderte.

Genauso wie er sich der Wirkung seiner Tat und seiner Internetspuren bewusst zu sein scheint, antizipiert er auch die Anschuldigungen, die er von den vorherigen Amokläufen kennt - und nimmt seine Freunde und Verwandten in Schutz: "Gebt niemand anderem die Schuld für diese Aktionen, als mir. Ich habe niemandem von meinen Plänen erzählt".

Auch die Diskussionen um die negative Wirkung von Heavy Metal und "Killerspielen", die auch Michael Moores Film "Bowling for Columbine" thematisierte, kennt Pekka-Eric A., der harte Rockgruppen wie Children of Bodom und Slayer zu seinen Lieblingsbands zählt .

"Macht nicht die Musik, die ich höre oder die Computerspiele, die ich spiele, dafür verantwortlich. Das ist mein Krieg."

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