Altmetall-Boom:Gierig nach Schrott

Lesezeit: 2 min

Wenn der Altmetallpreis steigt, verschwinden wieder mehr Gullydeckel, Gleise und Güterwagen. Manchmal sind die Diebe aber auch zu dreist, wie neulich bei Prag.

Klaus Brill

Der Sog der Globalisierung kann stärker sein als der gesunde Menschenverstand. Beim Einsturz einer alten Fabrikhalle in einem stillgelegten tschechischen Hüttenwerk hat sich jetzt erwiesen, dass die gewaltige weltweite Nachfrage nach Metallschrott immer absurdere Auswirkungen zeigt.

Metallschrott wie hier am Rostocker Hafen wird immer wertvoller. (Foto: Foto: ddp)

Polizei und Stadtverwaltung in Kladno bei Prag, wo das Unglück passierte, sind überzeugt, dass die Ursache nichts anderes war als die Geldgier und der sträfliche Leichtsinn einer Gruppe von Männern, die aus der Halle Schrott stehlen wollten.

Sie zerteilten mit ihren Schneidbrennern dummerweise die tragenden Eisenpfeiler, um sie wegzubringen; daraufhin brach das ganze Gebäude zusammen. Zwei junge Männer kamen ums Leben, weitere wurden von den Trümmern schwer verletzt.

Altmetall wird immer häufiger gestohlen

Auf drastische Weise rückt damit erneut ein Phänomen in den Blick, das die Metall- und Schrottbranche überall auf der Welt ebenso beschäftigt wie die Polizei. Immer häufiger und immer dreister wird Altmetall gestohlen und illegal verkauft.

Schon vor Monaten äußerte deshalb der Europäische Verband für Metallhandel und Recycling seine Besorgnis. "Schutzgeländer, Metallstrukturen von Gebäuden, Kanaldeckel, Kupfer- oder Stahldraht und sogar Lastwagen, vollbeladen mit Schrott, werden regelmäßig gestohlen", erklärte die Organisation und mahnte, mit solchem Diebesgut nicht zu handeln.

Das Geschäft mit Altmetall, ob aus sauberen oder anderen Quellen, boomt wie nie zuvor. Die Schrottpreise hätten in den vergangenen Jahren enorm angezogen, "um bis zu 100 Prozent und mehr", sagt Jörg Lacher, der Sprecher der deutschen Bundesvereinigung Sekundärrohstoffe und Entsorgung.

Eine Tonne bringt 250 Euro

Eine Tonne der gängigen Sorte zwei zum Beispiel erbrachte im Juni 2002 noch 110,70 Euro, heute sind es 249 Euro. Mag altes Eisen im deutschen Sprichwort auch negativ besetzt sein, in der weltwirtschaftlichen Wirklichkeit des Jahres 2007 ist es eine Kostbarkeit und "wirklich ein großes internationales Geschäft".

So sagt es Elisabeth Christ, die Kommunikationschefin des Bureau of International Recycling in Brüssel, eines Dachverbands, dem 700 Firmen und Verbände in mehr als 65 Ländern angehören. Die Organisation erwartet weiter steigende Nachfrage.

Ursache ist der Boom in der Weltwirtschaft. Insbesondere die gigantischen Bau-Investitionen in China und anderen asiatischen Staaten, aber auch der Aufschwung in Europa erzeugen einen nie dagewesenen Bedarf an Eisen und Stahl, auch Buntmetalle wie Kupfer, Nickel und Zinn sind sehr gefragt. Dies suchen sich neben der seriösen Recycling-Branche auch kriminelle Banden und kleine Gelegenheitsdiebe zunutze zu machen.

Immer wieder berichten Medien von seltsamen Entzugserscheinungen: So verschwanden in Berlin Gullydeckel, in Zirndorf bei Nürnberg 3000 Orgelpfeifen, in Norddeutschland die kupfernen Rinnen und Rohre mehrerer Kirchen.

Gleise, Fahrdraht und Güterwagen verschwinden

In Amsterdam und London wurden mehr als zwei Dutzend Bronzeskulpturen fortgeschleppt, darunter auch ein Werk des Bildhauers Henry Moore. Und auch die Eisenbahngesellschaften vieler Länder, darunter die Deutsche Bahn, registrieren einen beträchtlichen Schwund an Gleisen, Fahrdraht, ja sogar ganzen Güterwagen.

Im tschechischen Kladno wurden Eisenjäger auf dem früheren Hüttengelände schon öfter gesehen. Knapp zwei Dutzend von ihnen hatte die Polizei am Vorabend des Unglücks verjagt, sie kamen aber in der Nacht zurück. Klaus Brill

© SZ vom 2.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: