Air-France-Absturz:Unterseeroboter auf der Suche nach der Black Box

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Traurige Gewissheit: Die vor der Küste Brasiliens georteten Wrackteile stammen von dem Airbus der Air France. Frankreich will nun ein Spezial-U-Boot entsenden.

Ein Passagiersitz, eine orangefarbene Boje, Metallteile, Spuren von Öl und Kerosin: Die brasilianische Luftwaffe hat im Atlantik die Absturzstelle der verschollenen Air-France-Maschine mit 228 Menschen an Bord gefunden. Wie Verteidigungsminister Nelson Jobim am Dienstag in Rio de Janeiro mitteilte, habe man etwa 650 Kilometer nordöstlich der brasilianischen Insel Fernando de Noronha ein Trümmerfeld entdeckt, das sich über rund fünf Kilometer erstrecke.

Ein französischer Soldat sucht von einem Militärflugzeug über dem Atlantik aus nach dem verschwundenen Air-France-Airbus. (Foto: Foto: dpa)

"Alles deutet darauf hin, dass die Maschine dort abgestürzt ist. Wir gehen davon aus, dass es sich um den Airbus (der Air France) handelt", sagte Jobim, der kurz zuvor die Angehörigen der Passagiere und Besatzungsmitglieder in Rio informiert hatte.

Es seien Metallgegenstände und Kabel entdeckt worden, die zu einem Airbus gehörten, betonte Jobim. Auch ein treibender Passagiersitz wurde gesichtet. An Bord der Maschine waren insgesamt 228 Menschen, darunter 26 Deutsche.

An der Absturzstelle der Air-France-Maschine im Atlantik werden im Laufe des Vormittags die ersten Schiffe der brasilianischen Marine erwartet. Sie sollen vor allem die Wrackteile des Airbus A330-200 bergen. Die Chancen, zwei Tage nach dem Absturz noch Überlebende zu finden, werden als äußerst gering eingeschätzt.

Besonders heikel wird die Bergung der Black Box: "Es wird sehr schwer, danach zu suchen, denn sie könnte in einer Tiefe von 2000 bis 3000 Meter in diesem Teil des Ozeans liegen", sagte Jobim. Die Suche nach der Black Box ist ein Wettlauf gegen die Zeit, weil die Signale mit dem Flugschreiber nach 30 Tagen erlöschen. Erschwert wird das Vorhaben voraussichtlich von schlechtem Wetter, wie es um diese Jahreszeit in der Region üblich ist und das möglicherweise auch entscheidend zum Absturz der Maschine beigetragen hat.

Nach Angaben des Verteidigunsministeriums in Paris will Frankreich, das zusammen mit Brasilien die Untersuchung des Unglücks leitet, ein U-Boot mit zwei Unterseerobotern entsenden, die in eine Tiefe von bis zu 6000 Metern vorstoßen können. Letztlich wird nur die Black Box des Flugzeuges konkreten Aufschluss geben können.

Darüber hinaus versucht die französische Armee, zur Ortung der Flugschreiber die Absturzstelle genau einzugrenzen. Ein französisches Patrouillenflugzeug überflog in der Nacht zum Mittowch das Gebiet rund 500 Kilometer nordöstlich der brasilianischen Insel Fernando de Noronha. An diesem Mittwoch sollte ein Awacs-Radarflugzeug die Region überfliegen und die Trümmerspur kartografieren, sagte Christophe Prazuck vom französischen Generalstab.

Das Passagierflugzeug war am Montag auf dem Flug von Rio nach Paris verschwunden. Die Ursache der Katastrophe ist weiter unklar.

Wrackteile zu bergen wird nicht einfach. "Durchschnittlich wird in diesem Gebiet eine Wassertiefe von 4000 Metern gemessen", sagte Moysés Tessler vom Ozeanologischen Institut der Universität São Paulo.

Die französische Regierung schickte sofort ein Spezialschiff auf den Weg in die Zone mit den Wrackteilen. Es ist mit Tauchgeräten ausgestattet, die bis zu einer Tiefe von 6000 Metern arbeiten können. Mit ihnen ließen sich 97 Prozent des Meeresbodens untersuchen, teilte Verkehrsminister Jean-Louis Borloo am Abend mit.

Die brasilianische Luftwaffe hat bei der Suchoperation zehn Flugzeuge im Einsatz. Allerdings könnten die Wrackteile nicht aus der Luft geborgen werden, sagte ein Sprecher. Fünf Marine-Schiffe befinden sich auf dem Weg zu der Stelle, wo die Wrackteile gesichtet wurden.

Das erste Schiff wird aber vermutlich erst am Mittwoch an der Fundstelle eintreffen. Auch drei Handelsschiffe halten sich in dem Seegebiet auf. Möglicherweise können sie dabei helfen, die auf Meer treibenden Flugzeugteile früher zu bergen.

An Bord des Airbus waren Passagiere und Besatzungsmitglieder aus mehr als 30 unterschiedlichen Ländern. 26 von ihnen waren Deutsche. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte diese Zahl bislang nicht.

Unter den deutschen Passagieren war auch eine fünfköpfige Familie aus Baden-Württemberg. Derzeit würden mit den Behörden verschiedener Bundesländer alle Informationen geprüft, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Berlin.

Neun Passagiere, sechs Männer und drei Frauen, sollen einen Weiterflug nach München gebucht haben. Elf Reisende wollten nach Stuttgart reisen, sechs hatten einen Anschlussflug nach Berlin gebucht, hieß es.

US-Präsident Barack Obama sprach den Familien der Opfer sein Beileid aus. "Wir sind bestürzt über den Vorfall, auch wenn wir noch nicht genau wissen, was passiert ist", sagte er dem französischen Sender i-Télé.

Der Absturz der A330-200 ist die schwerste Katastrophe in der zivilen Luftfahrt seit 2001. Damals waren beim Absturz einer American-Airlines-Maschine kurz nach dem Start in New York 265 Menschen ums Leben gekommen. Es ist zudem die schwerste Katastrophe in der Geschichte von Air France. Beim Absturz eines Überschallflugzeugs vom Typ Concorde vor neun Jahren starben 113 Menschen.

"Keine Hilfe, nichts"

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy will die Angehörigen in den kommenden Tagen im Élysée-Palast empfangen. Die Regierung bot Familienmitgliedern an, in das Gebiet zu reisen, in der nach dem Flugzeug gesucht wurde. Am Mittwoch sollte es einen ökumenischen Gedenkgottesdienst in der Pariser Kathedrale Notre-Dame geben.

Die Angehörigen werden nach wie vor in einem Hotel am Flughafen Charles de Gaulle von Psychologen betreut, berichtet tagesschau.de. Inzwischen wird allerdings Kritik an der Betreuung durch die Fluggesellschaft laut - insbesondere an der eingerichteten Hotline: "Wir haben dauernd bei der Hotline für die Angehörigen angerufen. Die haben uns nur vertröstet - 'Wir rufen Sie zurück!' Doch das ist bis heute nicht passiert. Keine Hilfe, nichts", zitiert tagesschau.de einen Betroffenen.

Rätseln über Absturzursache

Die verunglückte Maschine ist mit Sendern ausgestattet, die im Fall eines Absturzes Funkimpulse aussenden. Auch der Flugschreiber gibt Signale ab. Allerdings gilt es als so gut wie ausgeschlossen, dass die Geräte aus den Tiefen des Atlantiks geborgen werden können.

Experten diskutierten weiter über die möglichen Ursachen des Absturzes. Air France hatte von einem Blitzeinschlag gesprochen. Die Maschine flog durch eine Zone, die für schwere Unwetter bekannt ist. Sie hatte ein automatisches Signal ausgesendet, dass es ein Problem mit der Stromversorgung gebe. Offen ist noch, ob dies ein Auslöser oder die Folge eines anderen Problems war. Möglicherweise waren im Gewitter die Antennen und das Radar der Maschine zerstört worden.

Das Unglück hat nach Angaben der Pilotenvereinigung Cockpit keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Arbeit der Flugkapitäne. Die Verbindung zwischen Brasilien und Frankreich sei eine "Routinestrecke", sagte Sprecher Jörg Handwerg. Das Unglück habe bei den Piloten "tiefe Betroffenheit" ausgelöst. "Es geht uns auch persönlich nahe, wenn so ein Unglück geschieht."

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